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Frankensteins Erwachen

Bobenheim-Roxheim + Bochum 1975-2009 / HD / 26 Sekunden

Frankensteins Erwachen von Kai Krick ist ursprünglich ein Daumenkino gewesen, das Kai als Siebenjähriger gezeichnet hatte. Mehrere Jahrzehnte später haben wir das von Flecken und Wasserschäden mittlerweile arg mitgenommene „Originalnegativ“ gescannt, bearbeitet, vertont, mit neuem Vor- und Abspann versehen und zu einem Ultrakurzfilm zusammengesetzt.

Die Hintergrundgeschichte spielt noch vor meiner Geburt, also überlasse ich mal besser Kai das Wort (und ja, es bedarf drolligerweise mehr Zeit, seinen Kommentar zu lesen, als man braucht, um den Film zu sehen, aber Faust II ist ja auch keine fünf Zentimeter dick, während die Literatur dazu Bibliotheken füllt):

Kai Krick beim Zeichnen des Vorspanns

„1975 war ein wichtiges Jahr in meinem Leben, in dem ich mir sowohl meiner spirituellen Herkunft, als auch meiner zukünftigen Bestimmung gewahr wurde. Für ersteres war Pfarrer Schubb verantwortlich, der geistige Hirte der Schäfchen von Roxheim (wo ich aufwuchs), und Religionslehrer an der Rheinschule, die ich damals in der zweiten Klasse besuchte. Pfarrer Schubb, ein progressiver Geistlicher, machte uns schon früh mit anderen Religionen bekannt, und konfrontierte uns bereits im zarten Alter von 7 Jahren mit dem Konzept der Reinkarnation. Ein Konzept, das bei meinen Mitschülern für heillose Verwirrung sorgte, aber bei mir auf fruchtbaren Boden fiel. Als ich dann kurz darauf in der Fernsehzeitung Gong ein Photo von Frankenstein sah, war mir schlagartig klar, wer ich in meinem Vorleben war: kein Geringerer als Boris Karloff selbst, der Darsteller des Monsters! Es begann eine Zeit der manischen Bessessenheit von Frankenstein, in der ich
a) meine Mutter überzeugen konnte, mich Frankenstein sehen zu lassen (der um 23:00 lief!),
b) ich mir mit einem gefälschten Altersnachweis beim Tinaversand eine Frankenstein-Maske bestellte, die ich dann auch zur Schule trug,
und ich, wie bereits angekündigt, meiner Bestimmung gewahr wurde, und daraufhin
c) meinen ersten Film drehte, ein ca. 35seitiges Daumenkino mit dem Titel Frankensteins Erwachen, was mich für ungefähr 2 Wochen zum unumstrittenen Herrscher von Schulhof und Spielplatz machte. Dann verschwand das Frühwerk, und geriet in den nächsten Jahrzehnten in Vergessenheit.

Groß war die Freude, das gute Stück wiederzufinden, als ich vor ein paar Jahren mal dazukam, mein Kinderzimmer in Roxheim aufzuräumen. Zwar nur noch Fragmente in einem desolaten Zustand, doch das beinahe vergessene Daumenkino konnte sich noch immer sehen lassen, verschwand dann allerdings zwischen anderen Schätzen glücklicher Kindertage, bis es vor ein paar Monaten wieder mal auftauchte. Da wurde das Werk dann jedem, der mich zu der Zeit besuchen kam, mit stolzgeschwellter Brust präsentiert. Am größten war die Begeisterung bei Lukas, aus dem sofort umfangreiche Pläne zu einer Rekonstruktion hervorsprudelten, in 16 zu 9, und motherfuckin‘ HAA DEE! Gesagt, getan. In den Studios der Sonderfilm zu Bochum wurde Bild für Bild von Lukas eingescannt und akribisch mit Perforationsstreifen und einer Tonspur versehen, um aus dem quadratischen Bild ein fettes Widescreen-Erlebnis zu erstellen. Der dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallene Vorspann wurde liebevoll von mir rekonstruiert – Druckspuren des zu fest aufgesetzten Bleistiftes fanden sich auf dem ersten erhalten gebliebenen Bild -, und ein Abspann kurzerhand neu gezeichnet. Die Toneffekte wurden von Yours Truly a capella eingesungen, an der diabolischen Orgel hören wir Kanzler van Looping vom Bochumer Institut für Psychotronik, mit einem exklusiv komponierten Soundtrack.“

Ich (also jetzt wieder Lukas) bin überrascht, dass das alles meine Idee gewesen sein soll, aber das macht es ja irgendwie noch besser (für mich). Ein Detail an der Wiedergeburtengeschichte haut übrigens nicht ganz hin: Als Kai geboren wurde, lebte Karloff noch. So geht ein Kinderglaube dahin.



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