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Neues Hörspiel: Robinson Crusoe

Man kommt ja irgendwie zu nix mehr, heutzutage, nicht mal dazu, sich selbst zu beweihräuchern. Meine Hörspiel-Adaption von Robinson Crusoe jedenfalls ist schon vor einer ganzen Weile beim Label Holysoft erschienen und ist (hoffentlich) in jedem besseren MediaSaturnMüllerMarkt und in diversen Buchhandlungen auf CD zu haben. Als Sprecher dabei sind diesmal unter anderem Dominik Auer (die Synchrostimme von Tuxedo Mask in Sailor Moon!), Kim Hasper, den man als Stimme von James Franco kennt, und der legendäre Joachim Kerzel, den wirklich jeder als Stimme von Jack Nicholson erkennen dürfte. Wie immer habe ich mir das Ergebnis nicht angehört, freue mich aber über Rückmeldungen.

Robinson-Crusoe-Cover

Ein paar Liner-Notes (Ahoi, SPOILER, voraus!):

– Das Skript habe ich im August 2016 geschrieben, es lagen also mal wieder die nicht unüblichen anderthalb Jahre zwischen Abgabe und CD-Release.

– Das Ding musste wegen der seinerzeit anstehenden Aufnahme-Saison quasi über Nacht fertig werden. Ich hatte es deswegen in zwei oder drei Tagen runtergehämmert, inklusive der Lektüre der Vorlage.

– Der Zeitdruck ist einer der Gründe dafür, dass es mit 65 Minuten etwas kürzer geraten ist als z.B. Alice im Wunderland (wo die CD wirklich bis zur letzten Sekunde gefüllt ist). Der andere ist, dass Robinson Crusoe eine Geschichte ist, deren wesentliches Verkaufsargument darin besteht, dass jemand einsam und alleine ist. Für ein Medium, dessen Stärke nun mal Dialoge sind, ist das denkbar ungünstig.

– Wer Daniel Defoes Roman nicht gelesen hat, weiß wahrscheinlich nicht, dass das Leben auf der einsamen Insel nur einen Teil dieser ellenlangen Räuberpistole ausmacht. Wenn Robinson in meiner Version bei einem Piratenangriff abwägt, dass es immer noch besser sei, in einem kleinen Beiboot über das offene Meer zu flüchten, als als Sklave an einen marokkanischen Fürsten verschachert zu werden, dann fasst er damit einen riesigen Textblock zusammen, der aus Gründen der Straffung unter die Räder gekommen ist.

– Robinsons Erlebnisse auf dem Sklavenschiff hätte ich, rückblickend betrachtet, gerne anders gestaltet. Dass Menschenhandel eine furchtbare Angelegenheit ist, wird hoffentlich deutlich, aber im Nachhinein fehlt es mir in der Sequenz an Empathie und Ethik. Auch, dass Robinson am Ende ein paar Münzen aus dem Wrack des Sklavenschiffs mitnimmt, ist ein Detail, das ich lieber weggelassen hätte.

– Im Original schiffbrucht Robinson erst auf der Rückreise von Brasilien, wo er mit Handel und Landwirtschaft ein Vermögen gemacht hat. Das ist nicht nur der Straffung wegen rausgeflogen, ich wollte nicht, dass die Geschichte von einem gestrandeten Millionär handelt. Robinson sollte in meiner Version nicht reich nach Hause kommen, sondern reif. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass die (wenig überraschend) unkritische Haltung Defoes zum Kolonialismus in den Hintergrund rückt.

– Die „Wilden“, denen Robinson begegnet, sind auch in meiner Version Menschenfresser. Ob es in diesem Teil der Welt Kannibalen gab, ist unter Historiker_innen umstritten, aber „umstritten“ habe ich für mich interpretiert als „hey, warum nicht?“

– Mir war es wichtig, dass Freitag nicht das Uga-Buga-Deutsch spricht, das fremdsprachigen Figuren, insbesondere solchen aus indigenen Kulturen, in Hörspielen oft in den Mund gelegt wird, weswegen es nur eine Szene gibt, in der er gebrochenes Deutsch spricht. Ich hatte zu der Zeit nebenbei Deutsch für Flüchtlinge unterrichtet und deswegen ganz gut im Ohr, wie jemand Sätze baut, der grade erst angefangen hat, die Sprache zu lernen.

– Ich lege sonst Wert darauf, Frauen- und Männerrollen paritätisch zu verteilen und vor allem in den von Männerfiguren dominierten klassischen Stoffen darauf zu achten, Frauen nicht zu Verfügungsmasse und Stichwortgeberinnen für die Helden zu machen, die sie in den Vorlagen oft sind. Bei Robinson Crusoe ging das schlicht nicht, weil es wenig glaubwürdig gewesen wäre, auf Hochseeschiffen um 1650 eine gemischtgeschlechtliche Besatzung zu behaupten. Ich habe deswegen auf Frauenrollen komplett verzichtet, alles andere wäre ein Feigenblatt gewesen.

– Aus Freitag eine Frau zu machen, hätte ich spannend gefunden, aber die wesentlichen bekannten Elemente einer Story sind in solchen Hörspielen nicht verhandelbar (sonst hätte ich Robinson wahrscheinlich auf einer Verkehrsinsel in Berlin-Neukölln ausgesetzt). Sprich: die Story spielt im 17. Jahrhundert, Robinson erleidet alleine auf einer Insel Schiffbruch, und Freitag ist ein Mann.

– Das CD-Cover, so schön es auch ist, ist nicht ganz akkurat, denn Robinson erzählt, dass er selbstverständlich nackt zu dem Schiffswrack schwimmt.

 



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