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Ulrich Mühl – Das ultimative Interview mit dem Grossmeister des Videospieljournalismus (Teil 4)

ASM-Spaßlogo

Die ASM war über Jahre hinweg eine Institution in der deutschen Gamer-Szene. Das Aus kam vergleichsweise plötzlich, aber nicht wirklich überraschend. Im vierten Teil sprechen wir über…

Redaktionelles, Zwielichtiges & das Ende der ASM

Lukas: Dein Stil war schon in der Frühzeit der ASM vergleichsweise locker und angenehm frei von Anführungszeichen (die bei anderen „Schreibern“, nicht zuletzt Chefredakteur Manni Kleimann „himself“, in jedem Satz mindestens einmal ihren „Auftritt“ hatten). Wenn man die frühen Ausgaben liest, hat man den Eindruck, der Rest der Redaktion wäre nach und nach auf Deine Linie eingeschwenkt. Wie erklärst Du Dir den Wechsel im Schreibstil der ASM, weg von einem irgendwie seriös gemeinten Marktbericht hin zu einem lässigen Jugendmagazin? Hatte das mit der Zusammensetzung der Redaktion zu tun?

ASM-Manni

ASM-Chefredakteure im Vergleich – Nr. 1) Manfred „Manni“ Kleimann (rechts im Bild), der Freak.

Ulrich: Das glaube ich weniger. Die ASM hatte halt ihre Leser gefunden, und der Erfolg gab uns (das) Recht. Wenn man zu Beginn eines Projektes nicht genau weiß, ob man Erfolg haben wird, bestimmen die Bürokraten sehr stark die Kreativen. Wenn sich die Kreativen durchsetzen und die Zahlen stimmen, können die eigentlich machen, was sie wollen. Rein redaktionell gesehen: Wenn man bemerkt, dass die Leserschaft einen Autoren lieber mag, weil er Sachen einfacher erklärt oder in der gewünschten Sprache, ist es doch klar, dass man sich das aneignet. Möglichweise habe ich unbewusst etwas dazu beigetragen, den Nerv der Leserschaft besser zu treffen. Wäre mein Stil nicht gut angekommen, hätte ich ihn halt ändern müssen. Dann hätten wir aber einiges verpasst.

Deine Antworten zu Hardwarefragen haben immer wieder durchblicken lassen, dass Du technisch durchaus versiert warst – oder in der Hinsicht zumindest deutlich mehr draufhattest als ich Schnallnix.

Wie bereits erwähnt, hatte ich relativ früh mit dem Programmieren begonnen. Ich habe es zwar nie weit damit gebracht, doch gab mir das einen recht guten Einblick in die Funktionsweise von Computern und diverser Hardware. Darauf aufbauend ist es natürlich bedeutend leichter, Neuentwicklungen zu verstehen, Fehlerquellen zu finden etc. als für einen Laien. Zumal geht es mir ehrlich gesagt auf den Keks, wenn Geräte nicht das tun, was sie tun sollen, die Bedienung vom andern Stern kommt, oder sie schlicht und ergreifend kaputt sind. Da folgt es ganz natürlich, dass man sich ein wenig mit der Materie auseinandersetzt. Das begann bei mir schon recht früh, da habe ich einen Lautsprecher der Stereoanlage meiner Eltern „repariert“. Oder so. Na ja, man kaufte dann eine neue Anlage… Versteh ich gar nicht.

Zusammen mit Baller-Otti hast Du während Deiner ASM-Zeit sogar ein Shareware-Spiel veröffentlicht (mit lauter Kürzeln von Redakteuren in der Highscoreliste!).

Unilyte

Und so ging eine hoffnungsvolle Gamedesigner-Karriere baden: die gecrackte Version von Blizzard ist heute verbreiteter als das Original. Ulrich hat übrigens Recht, es ist kein besonders gutes Spiel.

Ottfried und meine Wenigkeit trafen uns regelmäßig, um uns mit unseren neusten Amiga-Kompositionen zu beschallen. Da er seinerzeit den Schneider/Amstrad CPC intensiv programmiert hatte und dies auf dem Amiga fortführen wollte, kam recht schnell die Idee zustande, gemeinsam etwas zu entwickeln. Also setzen sich ein Hobby-Programmierer und ein recht untalentierter Grafiker zusammen und haben sich so die Zeit vertrieben.

Das Spiel, ursprünglich Blizzard geheißen, wurde später von Crackern umgemodelt und mit neuem Namen (Unilyte) und falschen Credits versehen in Umlauf gebracht… Stichwort Raubkopien: Im Kleinanzeigenteil der ASM wurden die schlimmen Scheiben mehr oder minder öffentlich angeboten („For the newest Stuff write to […] No Lamers!“). Das war ja schon eine Gratwanderung, denn die Softwarefirmen dürften darob, so sie es denn mitbekommen haben, nicht begeistert gewesen sein, oder?

Ja, so was ist theoretisch knifflig. Rechtlich betrachtet aber eher nicht. Könnten ja auch Demos oder Freeware sein. Das ist zwar gequirlter Mist, aber rechtlich relevant. Wer mit unserem Unrechtssystem schon mal in Kontakt gekommen ist, wird das bestätigen können. 🙂 Man kann ja nicht bei jedem Inserenten vorbeifahren und nachgucken. Im Zweifel wird also für den Angeklagten gesprochen. Auch wenn sich so mancher Manager (damals wie heute) anscheinend die Inquisition zurückwünscht.

Wir haben der Anzeigenabteilung eine Weile zur Seite gestanden, um die kritischen Anzeigen auszufiltern. Natürlich gab es immer mal ein bisschen Ärger hier und da, insbesondere und seltsamerweise gerade bei den Firmen, die in den Tests nicht so gut abschnitten. Die kamen dann und beschwerten sich über dies und jenes und manches.

Einmal wurde ich sogar angezeigt und der Erpressung bezichtigt. Schönerweise konnte ich rekonstruieren, wo ich an besagtem Tag war, und natürlich stand Aussage gegen Aussage. Besagte Firma gab es danach nicht mehr lang. Ein Jammer. Hätte so ein gutes Produkt werden können, und dann so ein Unsinn.

ASM-Kleinanzeigen

Ein beliebeiger Ausriss aus der „Biete Software“-Rubrik eines beliebigen ASM-Kleinanzeigenteils. Von mir rosarot markiert: alle Anzeigen, bei denen es ziemlich offensichtlich um was Illegales ging. Mich persönlich freut, dass einer der (legalen) Anbieter nicht nur den großartigen Nachnamen „Hasenbein“ trägt, den ich bislang für eine Helge-Schneider-Erfindung gehalten hatte, sondern dass der auch noch in der selben Straße residierte, in der ich selbst zehn Jahre lang gewohnt habe. (Zum Vergrößern anklicken oder in einem neuen Tab öffnen)

Bei einigen Tests aus den damaligen ASM-Konkurrenzblättern fragt man sich rückblickend, ob sie gekauft wurden, das bekannteste Beispiel ist die 91%-Wertung für das unsägliche Rise of the Robots in einem bekannten Amiga-Magazin. Kamen solche Angebote der Softwareindustrie an euch vor („Wenn ihr… dann wir…“)?

Mir gegenüber nicht. Oder ich habe es nie kapiert. Ich weiß, dass andere Kollegen durchaus solche Angebote erhalten haben. Meines Wissens wurden sie stets abgelehnt. (Andernfalls hätte man es aber vermutlich nicht ans schwarze Brett gepinnt…)

ASM-Mats

Nr. 2) Matthias „mats“ Siegk, der Coole.

Hier muss man aber auch sehen, dass die Geschmäcker manchmal sehr seltsame Wege gehen können… So habe ich mal einen Freund genötigt, Quake II mit Cal Tjader zu unterlegen. So haben wir bei sanfter Cocktail-Party-Musik Zombies gesprengt…

Die ASM hatte insgesamt drei Chefredakteure, Du hast unter zweien davon gearbeitet (Manfred Kleimann und Matthias Siegk; auf den dritten kommen wir gleich noch zu sprechen). War das dasselbe in grün oder gab es spürbare Unterschiede? Wie viel Macht hatte so ein ASM-Chefred.? Oder war die ASM nach außen hin (Schreibstil, Layout) und nach innen (Arbeitsklima) eher vom Kollektiv der restlichen Mitarbeitern geprägt?

Es war dasselbe – und komplett anders. Man muss halt rausbekommen, wie man sich einbringen kann. Was geht, was nicht. Manfred war ein vollständig anderer Charakter als Matthias. Insofern fanden die Unterschiede stark auf der persönlichen Ebene statt, denn die rein technische Arbeit ist ja dieselbe. Unter Matthias ging die ASM in ihre Workaholic-Phase. Es wurde bedeutend ernster, was ja nichts Schlechtes sein muss.

Die „Macht“, wenn man es überhaupt so nennen kann, die ein Chefredakteur hat, lässt sich über ein paar Faktoren gut ermitteln. Eine Gleichung, die so etwas beschreibt, könnte etwa so aussehen (wobei ich keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit erhebe und die Schreie der Heuchler schon hören kann): (Anstand + Ansehen der Person + Anzahl der Untergebenen) x Loyalität / (finanzieller Erfolg zum Quadrat). Das heißt: Je mehr Erfolg jemand/eine Zeitschrift hat, desto stärker wird daran gearbeitet, ihn/sie zu kontrollieren. Man könnte ja was verändern. Wäre ja schlimm. Die Leute könnten ja anfangen, mal selbständig nachzudenken, Fragen zu stellen oder gar ihr unreflektiertes Konsumverhalten ändern. So ist der hauptsächliche Kampf eines Chefredakteurs in der heutigen, vermeintlich freien Pressewelt der, das letzte verbliebene Bisschen journalistischen Anstand und Idealismus gegen das erdrückende Gewicht des alles zersetzenden Shareholder Value zu verteidigen. Dies gelingt in aller Regel gerade noch beim Wetterbericht. So es überhaupt noch versucht wird. Dies ist kein Vorwurf an die Journalisten. Nur eine traurige Wahrheit.

Wir hatten damals Glück. Die Branche war jung, die Finanzwelt nicht etabliert. Keine großen Firmen. Keine „Globalisierung“. Wir konnten uns Vieles erlauben. Insofern war der Chefred. theoretisch ein mächtiger Mann. Und nicht nur er, was zum Beispiel die nicht geringe Panik in den Augen so mancher Pressedame erklärte, wenn uns ein Titel nicht gefiel. Mit Macht kommt natürlich Verantwortung, und so gelangte man schnell an die feineren Punkte der Verfassens von Rezensionen.

DMV-Gebäude (daaaa sind wir)

Ulrich: „Gegenüber dem alten Verlag meiner Erachtens keine Verbesserung. Vorher war’s ein schönes Fachwerkhaus mit Füßgängerzone vor der Tür. Optimal. Konnte ganz zu Beginn mit dem Skateboard zu Arbeit fahren. Hier war ohne Auto kein Blumentopf zu gewinnen.“

Der Chefred. war natürlich auch einfach ein Kollege. Und zwar derjenige, der zum Chef musste, wenn sich ein Anzeigenkunde beschwerte, dass sein Spiel verrissen wurde. Und derjenige, dem der Anzeigenleiter über die Schulter schaute, wenn ein großer Kunde viele Anzeigen schalten wollte und darüber versuchte, auf die redaktionelle Berichterstattung Einfluss zu nehmen. Kein schöner Job. Geprägt wurde die ASM von dem, was das Team leistete. Und hier zähle ich die Leistung des Chefreds mit ein, den Redakteuren den Rücken freizuhalten.

Manni sagt in einem Interview auf Kultboy.com, dass er die ASM wegen „massiven Grabenkämpfen innerhalb der Redaktion“ verlassen hat. Ging es bei euch wirklich so heftig zur Sache?

Im Nachhinein betrachtet war es wohl so. Damals habe ich das nur mit Verwunderung zur Kenntnis genommen und mich bemüht, mit allen klar zu kommen. Ich war grün hinter den Ohren, und interessierte mich einzig für meine Arbeit. Ich denke, das wäre auch heute noch so (das mit der Arbeit – ganz so grün bin ich nicht mehr). Ich bin der Ansicht, dass Menschen sich ihre Meinungen klar und mit Respekt sagen sollten – oder schweigen.

ASM-Dungeon

Ulrich: „Bei dem Bild ging es wohl eher darum, dass man als Dilletanten-Fotograf alles klasse findet, das man zufällig scharf hinbekommen hat, denn das Motiv hat ja mit Spaß oder Thema irgendwie gar nichts mehr zu tun. Ein Auswuchs unserer damaligen Frustration.“

Ich hab damals das Feedback-Editorial der ASM 04/’93 dreimal lesen müssen, um zu kapieren, dass Du tatsächlich die Brocken hinschmeißt. Ich wäre eigentlich davon ausgegangen, dass Du (immerhin stellvertretender Chefredakteur) nach Matthias Siegks Abgang seinen Posten erben würdest, genauso wie er als Manfreds Stellvertreter dessen Job übernommen hatte. Dann aber war Matthias weg und Du gleich hintendrein. Hat man Dir den Chefred.-Posten nicht angeboten? Oder wohl, aber Du wolltest nicht? Oder weder noch? Ist Matthias überhaupt freiwillig gegangen oder hatte das andere Gründe? Was war da hinter den Kulissen los?

Das hatte sich über eine ganze Weile angebahnt. Die Arbeitsverhältnisse und die Arbeitslast waren nach und nach immer unzumutbarer geworden. Überstunden wurden so oder so nicht gezahlt, und was einst ein anständiges Gehalt für einen jungen Mann war, hatte sich angesichts der drei Mann-Jobs, die ich erledigte, in schlicht und ergreifend zu wenig verwandelt.

Schon vor dem Umzug und der quasi zweifachen Übernahme des Tronic-Verlages war ich einer der ersten, die die Verlags-Stechuhr allein mit Überstunden überdrehten. Die Stechuhr war angebracht worden, weil man wohl meinte, wir würden unsere Arbeitszeit nicht „absitzen“… wenn einem auf solche Art das Misstrauen ausgesprochen wird, das demotiviert einfach. Letzten Endes arbeiteten wir nur noch für die (langsam schwindenden) Leser, und das in einem Maß, das nicht mehr gesund war.

Vielleicht hätte man mich den Posten machen lassen, doch war ich zu diesem Zeitpunkt bereits so demotiviert, was meine geschäftsführenden Vorgesetzten anging, dass es mir leicht fiel, ein Angebot aus Hamburg anzunehmen, das mein Gehalt aufbesserte und mir die Gelegenheit gab, weiterhin das zu tun, was ich die letzten Jahre getan hatte – in Eschwege gab es nämlich keine echte Alternative.

DMV-Schreibtisch mit Ratte

Ulrich: „Hier sieht man klar den technischen Fortschritt, der mit den Jahren kam: 3,5″-Disketten (!), ein eigenes Faxgerät, ein Zweittelefon zum Angeben, ein niemals genutztes Diktiergerät sowie der fiese Nadeldrucker, den ich irgendwo abgestaubt hatte – richtig schön penetrant laut.“

Ich hatte meinen Vorgesetzten eine Auflistung der Arbeiten gemacht, die ich permanent für die ASM verrichtet hatte (die haben etwas erstaunt geguckt) und ihnen eine Vorstellung gegeben, was ich dafür an Geld gern gehabt hätte. Man lehnte ohne Verhandlung ab, keine Erhöhungen möglich. Keine weiteren Leute, und auch sonst nichts. Schweren Herzens und doch erleichtert reichte ich meine Kündigung ein. Klar, ein wichtiger Lebensabschnitt ging zu Ende – doch der nächste begann.

An Deiner statt gab es dann einen Peter Schmitz an der ASM-Spitze, der mir von Matthias in seinem letzten Editorial als „Top-Mann im Spielebereich sowie im Blattmachen“ angepriesen wurde – von dem ich allerdings vorher nie gehört hatte. Es sagt sicher was über die Identifikation der Leser mit der Zeitschrift aus, dass ich mich damals, genau wie viele andere, ziemlich verraten gefühlt habe, weil da plötzlich jemand am Ruder stand, der mit der ASM bislang so gar nix zu tun hatte. Wo wurde der Schmitz denn hergezaubert? War er Matthias tatsächlich (O-Ton) „seit langem bekannt“ oder wurde der euch aufgedrückt?

ASM-PeterSchmitz

Nr. 3) Peter Schmitz, der Spaßige.

Es musste ein neuer Chefred. her. Die Auswahl war nicht gerade riesig, und wir standen selbstverständlich in der Pflicht, keinen solchen Krater zu hinterlassen – sondern jemanden einzuarbeiten. Aus dem bestehenden Team hatte (verständlicherweise) niemand ernsthaft Interesse an unseren Jobs, die zu dem Zeitpunkt den fast vollständigen Wegfall von Freizeit bedeutet hätten.

Zwischen Matthias und mir herrschte damals eine aus dem Sachzwang entstandene Einigkeit, was die Wahl „unseres Nachfolgers“ aus den vorhandenen Optionen anging. Ich kann nicht so vermessen sein zu behaupten, dass ich ihn für den „besten Mann“ für den Job hielt. Auch wäre es ungerecht zu sagen, er sei der am wenigsten ungeeignete gewesen. Er war da und er war bereit, den Job zu machen. Er war schrullig, hatte die Erfahrung im Blattmachen, genügend Erfahrung mit dem Medium und ein Team mit jahrelanger Erfahrung. Das waren eindeutige Qualifikationskriterien.

Peter Schmitz trat zudem ein schweres Erbe an, und er hatte reichlich zu rudern. Einerseits war es fast unmöglich, zwei Workaholics rein vom Arbeitsumfang zu ersetzen, andererseits war er charakterlich ein völlig anderer Mensch als die ASM-Leserschaft zu dieser Zeit gewohnt war. Das hätte wunderbar nach vorn losgehen können. Die ASM brauchte konzeptionelle Veränderungen der tief greifenden Art, war es doch lang überfällig, zum Beispiel ein Spiele-Magazin einzig für PC-Spiele zu machen. Die Multiplattformer waren überholt, die Verkaufszahlen sanken. Er hatte mutige Entscheidungen zu treffen, die wir – allein aus der jahrelangen Gewohnheit heraus – nicht so oder gar nicht getroffen hätten. Hätte wunderbar klappen können. Ging aber schief.

ASM-Gotcha-Cover

Wenn Du erst noch dranschreiben musst, dass es „das große Magazin für Computer- & Videospiele“ ist, machst du bei der Covergestaltung was falsch.

Ich war selbst recht überrascht, welche Wendung das Ganze nahm und hatte in dieser Form sicher nicht damit gerechnet. Die Umtitelung in PC Spiel, die später erfolgte, hielt ich für sehr gut, jedoch war der Zug da schon abgefahren, und das Konzept nicht konsequent genug, um am Markt bestehen zu können.

Nur zwei Ausgaben nach Deinem Weggang machte die ASM auf dem Cover mit einem Artikel über Gotcha-Spieler auf. Mal davon abgesehen, dass so was sicher Geschmacksache ist, hat es nichts mit Computerspielen zu tun, und solche Sachen häuften sich bald. Hattest Du völlig mit dem Magazin abgeschlossen nachdem Du raus warst, oder hast Du die ASM noch mal in die Hand genommen? Wenn ja, was war Dein Eindruck (Stichwort: die Umbenennung des Hefts von Aktueller Software-Markt in „Das Spaß-Magazin„)?

Natürlich schließt man mit dem, was man etliche Jahre gemacht hat, nicht so ohne Weiteres ab. Ich hatte in der Zwischenzeit wieder gut zu tun, und die Entwicklung der ASM nicht aktiv verfolgt, doch irgendwann fielen mir halt so nach und nach einige Ausgaben in die Hände. Die Veränderungen waren weit größer als ich angenommen hatte. Das Gotcha-Cover kam mir auch arg themenfremd vor – wer würde das noch als Computer- und Videospiele-Magazin erkennen? Doch war das halt nicht mehr meine Baustelle…

ASM-Spaßcover

Unübersehbar: die Ausgabe 1/94 versprüht bereits auf der Titelseite den im Logo versprochenen Spaß. Dreizehn Monate später war die ASM Geschichte.

Keine zwei Jahre nach Deinem Weggang war Schicht im Schacht. Hat Peter Schmitz den Laden tatsächlich so heruntergewirtschaftet wie es viele Fans glauben (Noch mal Stichwort „Das Spaß-Magazin„), lag das eher an der Übernahme des Tronic-Verlags durch DMV, oder bröckelten der ASM schon 1992/Anfang ’93 die Leser weg? Wie erklärst Du Dir den überraschend schnellen Niedergang eines Magazins, das über lange Jahre eine feste Größe am Markt war?

Das spielten meines Erachtens mehrere Faktoren ihre bedeutsamen Rollen. Peter Schmitz hat nicht ge- und schon gar nicht heruntergewirtschaftet. Er war ja nicht Geschäftsführer. Er hat das Heft thematisch in einen Bereich gebracht, wo es nicht mehr genügend Leser gab. Der Relaunch als PC Spiel kam dann meines Erachtens zu spät. Die Rolle der Übernahme erst durch DMV, dann durch die WEKA-Gruppe (die damals DMV geschluckt hat), darf hier nicht unterschätzt werden. Da war halt dieses kleine, organisch gewachsene Unternehmen voller Revoluzzer und Chaoten, und dann kommt eine Firmengruppe und erklärt denen, wie die Dinge ab sofort zu laufen haben. Das sorgt für Missmut, insbesondere wenn es vorab anders dargestellt wird.

Mehr Schuhwerk

Ulrich: „Aus meiner schwarzen Phase. Auch sowas endet zum Glück irgendwann. Der größte Fehler, den man im Leben wohl machen kann, ist an Dingen festzuhalten, die einfach vorbei sind. Das bezog sich jetzt aber nicht auf C64-Musik. Oder die 80er generell.“

Solche Veränderungen geschehen zwangsläufig bei Firmenübernahmen. Organisatorische Zwänge sind dann laut Vorgabe wichtiger als individuelle Vorlieben. Doch wenn gerade diese den Charakter eines Produkts ausmachen, dann stirbt ein Teil des Produkts. Wenn es um viel Geld geht, wird die Seele, das Individuum immer stärker ignoriert. Das hatte ganz klar massiven Einfluss. Leider ein verbreitetes gesellschaftliches Phänomen, das wir uns aus den USA haben einschleppen lassen: Manager, die Macht und Geld wollen, aber nicht wissen, was Verantwortung ist. In gewisser Weise steckt das ja in dem Wort drin: Manager sind halt „Hinbekommer“, das hat mit Abteilungsleitung, –vorsitz, –vorstand etc. halt nichts mehr zu tun.

Letzten Endes denke ich aber, dass die Zeit die ASM einfach überholt hat. Man hätte viel früher mehr und andere Dinge tun müssen, um am Markt erfolgreich zu bleiben. Doch dann wäre man nicht mehr ASM gewesen. Insofern war es gut so.

Der Aktuelle Software-Markt war zu den Ahnen abgeritten, aber die Menschen dahinter existierten ja weiter. Wir reden im fünften und letzten Teil darüber, was Ulrich nach der ASM gemacht hat und was aus ein paar seiner Kollegen von damals geworden ist.




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