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Ulrich Mühl – Das ultimative Interview mit dem Grossmeister des Videospieljournalismus (Teil 2)

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Nachdem es in Teil 1 um ein paar grundsätzliche Eckdaten ging, steigen wir jetzt da ein, wo es für die meisten interessant werden dürfte. Es geht ums…

Zocken bei der Arbeit und Arbeit durch Zocken

Lukas: Hast Du auch privat gespielt oder nur in der Redaktion? Habt ihr Spiele mit nach Hause genommen und da weitergetestet?

Ulrich: Ich habe die ganze Zeit sehr intensiv gespielt. Zu Beginn gern und viele Rollenspiele – doch fehlte dazu später einfach die Zeit, da habe ich mich auf die Action verlegt. In der Redaktion war man gezwungen, das „Spielen“, das dann immer stärker zum eher sachlichen „Testen“ wurde, zeitlich zu begrenzen. Titel, die es einem angetan hatten, nahm man durchaus mit nach Hause, um abends „Überstunden“ zu machen. Doch waren das nicht sehr viele (Titel).

DJ Mitch at the controls

Ulrich: „Arbeit steht an, und keiner hat Lust. Was also tun? Klar, machen wir Fotos! Fürs nächste Sonderheft, das Impressum, irgendwelche selbstgemachten Lösungen langweiliger Adventures oder den Häkelmuster-Beileger, der die weibliche Leserschaft aktivieren soll. Ist doch egal. Hauptsache man kann sich vor der lästigen Pflicht drücken. Und manchmal kommt sogar ein echter Klassiker dabei raus. 😉 „

Oh, das war zuletzt ein ganzer Haufen: C64, SNES, Mega Drive, PC Engine, Amiga 1000, MSX2, PC, um nur die wichtigen zu nennen. Für jedes System gab es Highlights, und an jedem Dinge, die mir besonders gefielen. Bei C64, PCE und MSX2 mit Modulchip hat es mir bis heute die Musik angetan, bei Nintendo generell die Qualität der Spiele (natürlich gab es auch hier Ausnahmen). Insofern fällt es mir nicht leicht, nur einen Favoriten zu nennen. C64, SNES und PCE würde ich aber klar an die Spitze setzen, in späteren Zeiten dann zudem den PC.

Wie lange hast Du ein Spiel für einen Test gespielt?

Das war sehr stark vom Spiel abhängig. Manche Spiele erschlossen sich sehr schnell (zum Beispiel der Flop des Monats), andere musste man erst mal begreifen – oder gar an Kollegen abgeben. So habe ich den Reiz von Populous nie nachvollziehen können. Der arme Peter Molyneux. Da war ich auf irgend einer Messe in den USA, und jemand Eifriges vom Publisher konnte gerade noch organisieren, dass mir Peter höchstpersönlich Populous 2 (Amiga) vorführt. Und ich muss ihm dann erklären, dass mir Teil 1 (von dem scheinbar alle anderen begeistert waren und auf den er sich stets bezog) eigentlich nicht so sehr gefallen hat. Na, der hat ein Gesicht gemacht… 😉 Ich konnte ihn aber beruhigen, indem ich versprach, dass ich es nicht testen würde, sondern die Populous-Fans der Redaktion. Dasselbe habe ich dann ein paar Jahre später noch mal mit Jon Hare gemacht, als ich ihm erklärte, dass ich Fußball-Spiele doof finde… lol.

Um aber die Frage zu beantworten: Zwischen einer halben Stunde und mehreren Tagen (dann mit intensivem Freizeiteinsatz).

Deine Lieblingsspiel-Top-5 von damals? Dein persönliches Hassobjekt (so Du Dich daran erinnern kannst)?

Mal überlegen…

Wizball, auf jeden Fall
Commando
Fort Apocalypse
Juice!
Drelbs
Miner 2049er
Jumpman
Racing Destruction Set
Shamus & Shamus Case II (fast unspielbar, aber irgendwie klasse)
Paradroid
Might & Magic
Decathlon (Atari VCS)
Pitfall II (Atari XL)
Viele Titel von Tony Crowther
Das Meiste von Cosmi (ja, auch das eigentlich unspielbare Caverns of Kafka)
Das Meiste mit Musik von Rob Hubbard wegen der Musik von Rob Hubbard)

Später dann…

Diverse Mario-Spiele, insbesondere Super Mario Bros. 2, Super Mario Bros. 3 und Super Mario World
Bomberman (Mehrspieler)
Gradius und alle Ableger (auch auf MSX, trotz Ruckelscrolling)
Gunhed und alle Nachfolger (PCE)
Diverse Castlevania-Teile, insbesondere auf SNES
…und natürlich das unvergessliche Super Metroid.
Und Sim City 2000.
…die Liste könnte noch sehr lang werden, also höre ich hier besser auf.

Wenn du willst dass etwas erledigt wird

Ulrich: „Kein Kollege hat Zeit? Kein Fotograf in der Nähe? Selbst ist der Mann. Tod im Spiegel à la Tronic.“

Mit den richtigen Ass-Kandidaten habe ich mich nie so arg lang auseinandergesetzt. Auch bleiben solche Namen nicht haften. Eine gewisse Hassliebe verband mich mit Ghouls ’n‘ Ghosts. Toller Titel, aber so abartig schwierig… Man hat ja selten Level 2 gesehen!

Bei irgend einem Flop des Monats war doch mal ein Keksrezept dabei… „Killer irgendwas“… Hat das Spiel auch nicht gerettet. [Anm. von Lukas: ich habe danach gesucht, aber bislang leider nichts gefunden.]

Ja, wir hatten einen „Archivraum“ – also einen Raum mit Regalen, in den wir die Spiele später eigentlich nur noch reingeworfen haben. Was für eine Rumpelkammer! Viele unserer Leser hätten ihre rechte Hand für einen Besuch gegeben… Doch so toll war das dann auch wieder nicht. Zum einen war viel Schrott dabei. Zahlreiche Titel kamen ja leider nicht über das qualitative Mittelmaß hinaus. Viele Packungen waren zerfleddert, zerschnitten oder hatten den Ablageprozess nicht überlebt. Zum anderen: Später bekamen wir oft Vorabversionen für den Test (und keine Muster mehr). Die mussten zurückgegeben oder vernichtet werden. Teilweise wurde auch privat archiviert oder auch mal verschenkt. Viel ist ganz am Ende gar auf dem Müll gelandet.

Lächeln kann ich und lächelnd morden (Bitmap Brothers-T-Shirt-Shoot)

Ulrich: „Lächeln kann ich und lächelnd morden. Wieder eine dieser Arbeiten, die keiner machen will. Modellstehen für die T-Shirts, die im ASM-Shop verkauft wurden. Da ich den Shop inhaltlich mitbetreute, blieb das letzten Endes an mir hängen. Später hatten wir aber auch andere „Models“, wie unseren Kurierfahrer. Ach, wie hieß er bloß? Ist der recht solide gebaute Herr, der in einer Werbung zu sehen ist.“

Es gab immer mal wieder (nicht nur bei euch, auch bei anderen Magazinen) idiotische Screenshots, die nur das Titelbild eines Spiels zeigten oder irgendein nichtssagendes Optionsmenü. Hatte man als Tester Einfluss darauf, welche Bilder unter den eigenen Text kamen? Wer hat die Screenshots gemacht?

Anfangs hatten wir hierauf nur wenig Einfluss. Die Bilder wurden vom Verlagsfotografen gemacht, und der hatte mit Spielen wenig am Hut (manchmal dachte ich, mit dem Fotografieren auch nicht 😉 ). Insofern war es, saß man nicht daneben, ein wenig ein Roulettespiel. Auch hatte er oft mehr zu tun und konnte nicht warten, bis man endlich in Level 3 war (um der Leserschaft zu zeigen, dass man zu so etwas durchaus imstande war)… Na, der hielt also drauf, und von den Bildern waren viele so verwackelt, dass die letztendliche Auswahl oft äußerst bescheiden war. Und der Drucktermin, der ist unerbittlich. Später gingen wir dann immer stärker dazu über, die Bilder selbst zu machen. Da wurde es dann (in der Regel) gehaltvoller.

Habt ihr die Konkurrenzblätter gelesen und deren Testergebnisse mit euren verglichen?

Voller Einsatz

Ulrich: „Hier ein klassischer Werbefoto-Einsatz. Wie macht man was aus nichts? Irgendwie mussten wir für die (nicht sehr aufregenden) Sammelordner ja werben. Wozu so ein Kampfsport-Training gut sein kann…“

Wir haben die Kollegen natürlich beobachtet. Einen direkten, ständigen Vergleich gab es aber nicht. Wir wussten ja in etwa unsere Wertungen und haben die beim Durchsehen grob verglichen. Kam das ähnlich raus, wurde nicht weiter hingesehen. Bei großen Unterschieden haben wir das natürlich genauer studiert.

Als freier Mitarbeiter hast Du viel getestet, später dann als Redakteur eher selten. Wie kam das? Wolltest Du nicht mehr oder hat die Chefetage Dich anderweitig abgestellt?

Wie schon gesagt, blieb hierzu immer weniger Zeit. Eine Zeitschrift zu machen besteht eben nicht nur aus „Recherche“. Und gerade diese nachfolgenden Arbeiten haben mich dann sehr in Beschlag genommen – zudem später die Sonderhefte und das wachsende…

…Feedback – So der Titel der grandiosen ASM-Leserbriefecke. Damit geht’s in Teil 3 weiter.




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