Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

Superchristen (Teil 4)

„Ich wähle dich, Jesus!“ (Bild: © Nintendo)

Dieser Text sollte eigentlich nicht länger werden als die bisherigen Schräge-Vögel-Artikel – dass es nun ein vierteiliger Trumm ist, liegt nicht daran, dass ich eine besondere Schreibfreude oder sonst nichts zu tun hätte, sondern schlicht darin begründet, dass sich die Flyer, die ich hier liegen hatte, als sehr ergibig herausgestellt haben. Daraus, dass mir zu ein paar meistenteils mit lockerem Zeilenabstand beschriebenen Flugblättern christlicher Sonderlinge mehr einfällt als zu der manisch vollgetexteten Webseite eines selbsternannten Weltuntergangspropheten, dem zufolge Adolf Hitler in einen Wurm verwandelt wurde und auf der Sonne wohnt, möge jeder seine eigenen Schlüsse ziehen.

Machen wir endlich den Sack zu. Zusammenfassung der letzten Woche: Juden für Jesus = Missionierende Christen unter falscher Flagge und mit Flyern, die wir in Ermangelung eines zutreffenden, aber gesitteten Vokabulars einfach mal „erstaunlich“ nennen wollen. Weiter.

Das dürfte noch mal interesant werden, denn bisher war alles wüste, leere Theorie: Ganz im Sinne eines Transformers-Combiners nahmen die Juden für Jesus das Beste zweier Religionen, um eine Gottheit mit noch mehr Kampfkraft zu erschaffen (Noch cleverer wäre es natürlich gewesen, ein paar der mächtigen nordischen Götter mit ins Boot zu holen, deren Äxte und Hämmer auch noch den widerspenstigsten Ungläubigen zum Umdenken bringen, aber das nur am Rande). Jetzt endlich allerdings lassen wir die Laborbedingungen der Welt des Übernatürlichen offensichtlich hinter uns zugunsten greifbarer Realien. Schauen wir also mal, wie sich die JfJ in Sachen handfester Konflikte bewähren.

Zur Erklärung: Hatfield und McCoy waren zwei verfeindete US-Clans, die im ausgehenden 19. Jahrhundert ein entlaufenes Schwein zum Anlass nahmen, sich jahrelang blutig zu bekriegen, sehr zur Freude der Presse, die landesweit und quasi tagesaktuell berichtete, wodurch der Konflikt in die Folklore der USA einzog. Hierzulande kennt die Geschichte freilich kein Mensch, aber wenn man seine Flyer mit viel Gottvertrauen und wenig Nachdenken aus dem Englischen übersetzt, rutscht so was halt schon mal durch.


Der Hatfield-Clan: Israelis oder Palästinenser?

Echt? Die größte überhaupt? Aller Zeiten? Ihr Juden für Jesus habt eben eine ganze Latte Beispiele aus Mythen und Legenden, Geschichte und Wirtschaft gleichermaßen gebracht, also ist die Liste für alles offen: Weltkrieg 1, Weltkrieg 2, Kalter Krieg, Vietnamkrieg, Nordirlandkonflikt, die Teilung Koreas, Kapitalisten gegen Proletarier, Klaas Klever gegen Dagobert Duck und Luke Skywalker gegen Darth Vader. Der Nahostkonflikt ist ja nun kein unbedeutender, aber diese ganze Liste bleibt für euch in Punkto Maßstab/Drama dahinter zurück? Ihr führt doch was im Schilde, oder?

Natürlich. Jahrzehnte der Diplomatie, Friedensabkommen, mehrere verschlissene Friedensnobelpreisträger – Hätte man sich alles sparen können. Nicht etwa, weil der Hass zwischen den verfeindeten Parteien so tief säße oder die Ursachen für den Konflikt nicht aus dem Weg geräumt wurden, nein: es war alles zwecklos, WEIL DER LIEBE GOTT KEIN EINSEHEN HATTE.

Verkürzt gesprochen haben Islam und Judentum in der Tat die gleichen Wurzeln. Nichtsdestotrotz spricht man mit Fug und Recht von zwei verschiedenen Religionen, weil es hinreichend viele Unterschiede zwischen den beiden gibt, genauso wie – ohne einen sozialen Vergleich ziehen zu wollen – sowohl Menschen als auch Riesenasseln zwar letztendlich aus der gleichen Ursuppe stammen, ansonsten aber glücklicherweise nicht viel miteinander zu tun haben.

Da der Zettel von einer christlichen Warte aus geschrieben wurde: Unter Christen ist es alles andere als unumstritten, dass es sich bei Allah und Christengott um ein und den selben handelt. Grundsätzlichen Dissenz dürfte es hinsichtlich dieses Satzes auch geben bei Hindus, Buddhisten, Satanisten und Jedirittern. Und zumindest die Atheisten sind aus der Nummer eindeutig raus.

Mal davon abgesehen, dass das nicht euer Kampf ist, weil, wie ja schon mal erwähnt, für euch Jesus der Messias ist und ihr deswegen per Definition keine Juden seid, ist diese Frage nicht ohne Weiteres zu beantworten. Tatsächlich sind, da habt ihr schon Recht, unterschiedliche Religionen nur indirekt der Grund für diesen Konflikt. Zu den Ursachen gehören der europäische Antisemitismus, der zusammen mit den nationalistischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts zur Entstehung des Zionismus, also der Bewegung für einen jüdischen Nationalstaat führte, genauso wie eine unglückliche Kolonial- und später Flüchtlingspolitik, sowie wirtschaftliche Aspekte, und, und, und. Im Prinzip befindet sich die Region seit gut fünfzig Jahren in einem schwelenden Kriegszustand; so etwas lässt sich nicht mit wenigen oder einfachen Worten erklären. Es ist ein sehr komplexes Thema, für das es nicht ohne Grund Experten gibt (und ich bin sicher keiner von ihnen), und…

Warum versuch ich’s überhaupt?

Wir befrieden die beiden Parteien also, indem wir sie dazu bewegen, sich geschlossen einer dritten Partei anzuschließen. NA, WENN DAS MAL NICHT FUNKTIONIERT!

Wer traut sich mit so einem Weltbild in die Öffentlichkeit?

Laura Barron ist nicht eine beliebige Mutter aus der Christensynagoge von nebenan, sondern ist seit mindestens zwanzig Jahren weltweit für die JfJ tätig. Sie hat die südafrikanische Niederlassung gegründet und aufgebaut und ist heute einer der Köpfe der kanadischen Jews for Jesus. Darüber hinaus ist sie eine von zwei Dutzend Vorzeige-JfJ mit denen deren australische Webseite wirbt. Unter den von Laura Barron geschriebenen Artikeln finden sich nicht nur ein paar nach Schema F ablaufende Jesus-Pornos (Sie trifft irgendeine verwirrte weibliche Seele, liest ihr aus der Bibel vor, betet mit ihr und verwandelt sie in eine Jüdin für Jesus, Happy End), sondern auch die Geschichte eines gelähmten Mädchens, das wie durch ein Wunder wieder laufen konnte, nachdem sie sich den Juden für Jesus angeschlossen hatte. Das alles reicht aber nicht an dieses Flugblatt heran – Noch mal zum Mitschreiben: Eine Jüdin für Jesus – nicht irgendeine, sondern eine der VORBETERINNEN – schlägt vor, den Nahostkonflikt einfach dadurch zu beenden, dass alle Muslime und Juden zum Christentum konvertieren.

Juden für Jesus! DAS ist eure Elite? DAS ist das Beste, was ihr auffahren könnt? Dann besteht ja vielleicht doch noch Grund zur Hoffnung, dass ihr in absehbarer Zeit nicht mehr das Straßenbild beschädigt. Immerhin glaubt ihr mittlerweile selbst nicht mehr daran, bei den Lesern eurer Druckerzeugnisse auf Interesse oder gar Gegenliebe zu stoßen. Anders ist nicht zu erklären, dass ihr die jede eurer frohen Botschaften beschließende Bitte, den Zettel nicht wegzuwerfen, mittlerweile resigniert im Sinne des Umweltschutzes modifiziert habt:

Das gilt natürlich nur für unsere Breitengrade. In Israel dagegen fühlen sich die JfJ wie Kinderschänder in der Krabbelgruppe:

Nichtsdestotrotz wäre ich dort unten vorsichtig, denn gerade in Israel könnte es neben den üblichen Gelegenheitsgläubigen auch den einen oder anderen in seinem Glauben etwas aktiveren Juden geben, der eine eher humorlose Position zu christlichen Missionaren pflegt. Und damit niemand den Eindruck hat, dass diese ganzen Sektierer ja schon ziemlich irre, aber normal Religöse eigentlich ja doch ganz in Ordnung sind, schauen wir uns jetzt noch kurz an, was denn eigentlich besagte Profi-Juden so über die JfJ schreiben, zum Beispiel Dr. Chaim Z. Rozwaski, Rabbi in Berlin:

Na, da waren unsere Opas ja schön blöd, als sie die teuren Hochöfen in Auschwitz aufgestellt haben – einfach ein, zwei zettelverteilende Strahlemänner unter den „Arbeit macht frei“-Schriftzug zu plazieren wäre nicht minder effektiv gewesen.

Gleiche Ursuppe: Laura Barron und Riesenassel (Bathynomus Giganteus). WO IST EUER GOTT JETZT?

Es gibt einen geringfügigen Unterschied zwischen den beiden von Dr. Razwoski genannten Verfahren zum Töten von Juden: niemand wird gezwungen, den JfJ einen Zettel abzunehmen, niemand wird dazu gezwungen, diesen Zettel zu lesen, und niemand wird dazu gezwungen, ihn anschließend nahe bei seinem Herzen zu tragen, die Bande dann auf dem Nachhauseweg zu kontaktieren und schlussendlich das Judentum in den Wind zu schießen, wohingegen ich denjenigen sehen möchte, der mit vorgehaltenem Gewehr in Richtung Gaskammer getrieben werden soll und einfach nur lapidar „Danke nein, heute nicht“ sagt. Offensichtlich aber kann man sich als Rabbi sehr wohl ein Leben nach dem Tod, nicht aber eines nach dem Glauben vorstellen, weswegen ein Jude, der seinen Glauben ablegt, für Doc Razwoski genauso wertlos ist wie ein toter Jude. Ein reizendes Menschenbild.

Oh, und übrigens – auf die Idee mit der Endlösung durch Strahlemänner sind die Juden für Jesus ihrer deutschen Hompage zufolge auch schon gekommen:

Zwischen diesen beiden Bildern hat unser Fotograf zehn kleine Unterschiede eingeschmuggelt. Findest Du sie?




10 Kommentare

1) Peroy

1. Dezember 2010, 19:27

Die Assel sieht direkt in meine Seele…

2) manhunter

1. Dezember 2010, 19:30

„Jesus macht frei“
Ach du Scheisse …

„Klaas Klever gegen Dagobert Duck“
Ich war übrigens immer auf der Seite von Klaas Klever.

3) DMJ

2. Dezember 2010, 18:08

Manni war für Klaas Klever?
So eine Sau…schließlich war der nur der Zweitreichste, ergo der Mittelstand und damit höchstens ein Idol für dreckige Kommunisten, die es nicht in die Bourgeoise schaffen.

4) Dietmar

29. Dezember 2010, 03:45

Okay, jetzt bin ich eher betroffen …

Ja, Lukas, Spitze. Was soll ich sagen?

5) Marcus

30. Dezember 2010, 23:25

Schöner Artikel. Aber wieso muss ich bei „Jews for Jesus“ immer an Mel Brooks‘ „Jews in Space“ denken?

@manhunter: solange du nicht weißt, wie Klaas Klever im englischen Original hieß, bedeutet diese deine Wortmeldung mal gar nichts. *naserümpf* 😉

@DMJ: MACMONEYSAC war der Zweitreichste! Amateure allenthalben…. 😉 😉

@Dietmar: Wie wäre es mit „Die Kraft Jesu Christi bezwingt dich!“, mehrmals hintereinander, laut, in energischem Tonfall?

6) Lukas

31. Dezember 2010, 00:46

@Marcus:
Als ich den Artikel geschrieben habe, war ich grade etwas eurozentriert, und da kommt Klever (oder Rockerduck, wenn’s denn nicht die Fuchs’sche Übertragung sein soll) eher hin als der Herr aus Südafrika.

7) Dietmar

31. Dezember 2010, 02:54

Ja, danke Marcus, jetzt geht´s wieder …

🙁

8) Howie Munson

31. Dezember 2010, 12:35

hmmm, müßte es nicht noch eine Teil 5&6 für die Zeugen Jehovas geben? Die wollen ja einen sogar in der heimische Wohnung bekehren…

9) Lukas

31. Dezember 2010, 14:02

Nach vier Teilen hatte es mir bis auf weiteres gelangt, aber irgendwann kommt noch mal ein Christenartikel. Einschlägiges Material jedenfalls hätte ich noch reichlich da, und wer selbst noch was schönes hat, möge mir mailen.

10) Marcus

31. Dezember 2010, 18:56

@Lukas: 11/10 Punkten für Dich – der elfte ist für das Wissen, wo Mackie herkommt. Und weil Klever in den Barks/Rosa-Comics ja nur ’ne Fußnote ist….

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