Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

GameBoyGames 06: Wheel of Fortune / Glücksrad

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Gluecksrad

Deutsches Cover.

Wheel of Fortune, bzw. Glücksrad, war in den späten 80er und frühen 90er Jahren ein Phänomen. Die US-Ausgabe der Dauerwerbe-Gameshow war märchenhaft populär (und ist es dort bis heute), die deutsche Ausgabe lief zwischenzeitlich täglich auf SAT.1 und holte bis zu vier Millionen Zuschauer vor die Fernseher. Damit war die Show erfolgreich genug, um nicht nur im Dämmerleben ergrauter Knobelomas eine Rolle zu spielen (die traditionell den Löwenanteil des Studiopublikums stellten), sondern im Bewusstsein der Gesamtbevölkerung hängen zu bleiben, so erfolgreich sogar, dass man beim Hersteller Gametek einen Markt für eine Videospielumsetzung sah. Und nicht nur das: weil die englische Fassung hierzulande so gut wie unverkäuflich gewesen wäre, bekam Glücksrad eine der ersten deutschsprachigen Lokalisierungen eines Game-Boy-Games (bei der man aber zumindest bei der Verpackung etwas strauchelte – die Rückseite der Erstauflage der deutschen Version ist so vollgestopft mit Rechtschreibfehlern, dass man sich später offenbar genötigt fühlte, sie mit einem Aufkleber mit dem korrigierten Text zu überkleben).

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US-Cover

Kinder dürften nicht unbedingt die Zielgruppe dieses Moduls gewesen sein, wohl aber so ziemlich alle anderen. Nur: warum sollte man das spielen? Oder anders gefragt: wenn man von einer solchen Dauerwerbesendung die Aussicht auf den Gewinn von Sach- und Geldpreisen abzieht, was bleibt dann eigentlich noch? Ein simples Ratespiel wollten die Macher offenbar nicht produzieren, ihnen ging es um eine werkgetreue Umsetzung der Fernsehshow, und dabei war vollkommen egal, ob ein Element für das Gameplay eines Videospiels sinnvoll ist oder nicht. So lässt sich der Schwung, mit dem man am Rad dreht, unnötigerweise frei bestimmen, und die Assistentin tippelt zeitraubend über den Bildschirm und dreht die Buchstaben um. In der Finalrunde gibt es außerdem einen hingepixelten Gewinn von 25.000 Mark zu gewinnen. Hat man die entscheidende Frage dann richtig beantwortet, so darf man sich zur Belohnung noch einmal das Bild mit den 25.000 Mark ansehen. Das alles ist zwar spielerisch entweder irrelevant, störend oder schlicht bescheuert, aber wenn es in der Show ist, findet es sich auch im Spiel wieder. Glücksrad ist deswegen eher eine (ziemlich gut gelungene) Fernsehsendungssimulation als ein Quiz, und das dürfte den Reiz des Moduls ausgemacht haben. Kinder verarbeiten beim Nachspielen von Erlebtem ihren Alltag, Erwachsene machen es nicht viel anders, und eigentlich ist es gruselig, dass die Moderatoren Peter Bond und Frederic Meisner offenbar zum festen Alltagsinventar vieler Menschen gehörte (andererseits war zumindest das Glücksrad-Studiopublikum hart im Nehmen, hatte es in seiner Mehrheit doch bereits zwei Weltkriege überstanden). Glücksrad spielte man, weil man es im Fernsehen sah. Man sah es im Fernsehen, weil es verlässlich jeden Tag kam. Die Wiederholung des immer Gleichen stabilisiert und beruhigt, besonders aufregend ist sie aber nicht.

Amüsant ist aus heutiger Perspektive der Blick zurück in die bräsige Volkskultur der Wendezeit, in der es Lösungen wie „Adriano Celentano“ oder „Cindy und Bert“ zu erraten gilt. Wenn man sich an solche Gruselgestalten erinnert, ist Glücksrad nicht besonders schwierig, zumal der Computergegner ein Idiot ist, der vorzugsweise den Buchstaben Q wählt und auch sonst nichts gerissen bekommt.

Gametek hatte sich Lizenzen für die Umsetzungen einer ganzen Reihe von Fernsehshows auf alle gängigen Heimcomputer und Konsolen gesichert, drei von diesen Spielen gibt es in deutschen Versionen. Zeitgleich zu Glücksrad erschienen Der Preis ist heiß und Jeopardy (unter dem alten deutschen Titel Riskant!), die es aber beide nicht auf den Game Boy schafften.




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