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10 erstaunliche Erkenntnisse aus alten White-Dwarf-Heften

WDKlein

Mit Games Workshop, dem Hersteller von waffenstarrenden Tabletopspielen für pickelige Vierzehnjährige in Metal-Shirts, verbindet mich eine Hassliebe. Liebe, weil die Firma mit Warhammer und Warhammer 40k Fantasy- und Science-Fiction-Universen aufgebaut hat, die in puncto Umfang, Ideenreichtum und kreischendem Wahnsinn von kaum etwas Anderem erreicht werden. Hass, weil sich die Firma in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer an den Interessen der Shareholder orientierten Abzockermaschine entwickelt hat, deren Rechtsabteilung gerne mal von Fans produziertes Material per einstweiliger Verfügung aus dem Netz verschwinden lässt.

Dieser Hass hat dafür gesorgt, dass ich mich seit mindestens 15 Jahren nicht mehr weiter für Games-Workshop-Neuerscheinungen interessiert habe, diese Liebe aber hat mir jetzt einen Stapel WhiteDwarf-Magazine in die Hände gespielt, allesamt aus einer Zeit, in der Games Workshop noch awesome war.

Der White Dwarf war anfangs ein Kreuz-und-quer-Magazin, das Fantasy-Romane rezensierte und Abenteuer für Rollenspiele wie Dungeons & Dragons veröffentlichte. Nach und nach aber entwickelte er sich zur Hauspostille für Games-Workshop-eigene Produkte: Es gab Vorstellungen der Neuerscheinungen, neue Regeln, Tipps für Bemalungen und Umbauten, jede Menge Werbung und (in Prä-Internet-Zeiten wichtig) einen monatlich aktualisierten Mail-Order-Katalog.

Dass diese Hefte nostalgische Zeitkapseln sind, versteht sich von selbst. Wirklich interessant ist aber, dass sich in ihnen Dinge finden, die andernfalls im Dunkel der Spielegeschichte verschütt gegangen wären. Das hier sind nur zehn von vielen erstaunlichen Erkenntnissen (die, das sei vorweggenommen, die Welt von Nicht-Games-Workshop-Interessierten kaum aus den Angeln heben werden):

1) Das Covermotiv von Mighty Empires ist fast 500 Jahre alt

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Games-Workshop-Artworks sind grundsätzlich martialisch und megalomanisch, und deswegen ist mir beim Covermotiv des Kampagnen-Sets Mighty Empires auch nie irgendwas Besonderes aufgefallen – höchstens, dass in der gigantischen Schlachtenszene, die da zu sehen ist, keinerlei Fantasy-Viecher wie Drachen oder Trolle auftauchen.

Alexanderschlacht

Dank eines kleinen Absatzes aus White Dwarf Nr. 130 weiß ich jetzt, wieso: entgegen der sonstigen Games-Workshop-Gepflogenheiten stammt das Bild nicht von einem der firmeneigenen Künstler, sondern vom Renaissance-Maler Albrecht Altdorfer (der dem Namen nach auch im Imperium der Menschen in der Warhammer-Welt hätte leben können). Es ist ein Ausschnitt aus seinem berühmtesten Werk, Die Alexanderschlacht von 1529. Hätte man wissen können, aber wer ahnt so was schon?

2) Blanke Brüste und Hakenkreuze

In den späten 80ern und frühen 90ern war Games Workshop eine rein britische Angelegenheit, mit grade mal ein oder zwei Läden in den USA und wenigen Händlern, die die Spiele auf dem europäischen Festland vertrieben. Auf kulturelle Unterschiede zu anderen Ländern musste man deswegen nicht groß Rücksicht nehmen und ließ, nicht oft, aber regelmäßig, nacktes Fleisch und faschistische Symbolik raushängen.

Als man ab Mitte der 90er auch nach Deutschland expandierte und sich außerdem auf Jungen im Prä-Teenager-Alter (bzw. deren kaufkräftige Erziehungsberechtigte) als wesentliche Kundschaft einschoss, war beides sehr zügig verschwunden, aber Bilder im White Dwarf zeigen, wie unbekleidet und rechts die Warhammer-Welt ursprünglich mal gewesen ist.

Nacktheit&Hakenkreuze

Ein paar Beispiele. (Quellen, von oben links nach unten rechts: Nr. 123, S. 43; Nr. 122, S. 50; Nr. 128, S. 43; Nr. 128, S. 9; Nr. 128, S. 9; Nr. 122, S. 15; Nr. 11, S. 63; Nr. 125, S. 40)

3) Necromunda war schon mal da

Necromunda

Wenn Games Workshop irgendwas als „Neu!“ ankündigt, sollte man das nicht zu ernst nehmen. Fast alle der vermeintlichen Neuheiten hatte man Jahre zuvor schon einmal im Programm, nur um sie später, in leicht überarbeiteter Form und mit neuen Miniaturen unterfüttert, einer nichtsahnenden neuen Generation von Spielern als geniale Innovationen vorzustellen.

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Das etwas rudimentäre Logo. (Quelle: White Dwarf Nr. 132, S. 23)

Den beliebten Skirmish-Gangwar-Klassiker Necromunda von 1995 hatte ich bislang als eine der letzten Ausnahmen von dieser Regel wahrgenommen, bis ich in White-Dwarf-Heften von 1990 und 1991 Regeln für ein Skirmish-Spiel namens Confrontation gefunden habe, das von den Kämpfen zwischen Gangs auf einer SciFi-Welt namens Necromunda handelt. Alles war halt schon mal da.

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Die ersten Miniaturen zu Necromunda (bzw. Confrontation) von 1990, plus dem Langhaarigen, der sie gestaltet hat. Langhaarigkeit scheint, betrachtet man die hier und dort im White Dwarf zu findenden Mitarbeiterfotos, bei Games Workshop zu dieser Zeit ein zwingendes Einstellungskriterium gewesen zu sein. (Quelle: White Dwarf Nr. 133, S. 31)

4) Squats hießen mal Space Dwarfs

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Am Anfang war das Warhammer-Fantasy-Universum. Als Games Workshop dann eine SciFi-Welt hinterherschoss, bastelten sie ein wenig am Design und am Hintergrund, aber im Grunde genommen schaufelten sie einfach die handelsüblichen Fantasy-Rassen in die Zukunft und deckten das dann mit dem Mantel des Schweigens zu: Eldar sind eigentlich Elfen, Necrons sind eigentlich Untote, und Squats sind eigentlich Zwerge. Jeder weiß es, man redet nur nicht drüber. 1990 aber gab es offensichtlich eine Box mit Squat-Miniaturen, die Space Dwarfs hieß und mit der man auf diese Weise zum ersten und einzigen Mal diese Parallele öffentlich einräumte.

5) Space Fleet sollte mal Battlefleet Gothic heißen

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(Quelle: White Dwarf Nr. 119, S. 29)

Bereits im Herbst 1989 gab es im White Dwarf eine mehrseitige Vorschau auf eine neue Raumschiffschlachterei namens Battlefleet Gothic. Die ist in dieser Form allerdings nie erschienen, sondern wurde fast zwei Jahre später halbherzig unter dem Namen Space Fleet als kurzlebiges Einsteigerspiel mit vereinfachten Regeln veröffentlicht.

SpaceFleet

Irgendwer bei Games Workshop aber muss dann über Jahre hinweg durch die Büros der Firmenzentrale in Nottingham geschlurft sein und immer wieder „Mensch, hätten wir das mal Battlefleet Gothic genannt“ gemurmelt haben. Mit Erfolg: 1999, ganze zehn Jahre nach der ersten Ankündigung, wurde die erweiterte Neuauflage von Space Fleet unter dem ursprünglichen Namen Battlefleet Gothic veröffentlicht.

BattlefleetGothic

6) Bastelbögen

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(Quelle: White Dwarf Nr. 119, S. 63)

Heutzutage lässt sich jedes Fahrzeug, das auf irgendeinem Games-Workshop-Bild zu sehen ist, auch kaufen. Damals, als die unbedingte Gewinnmaximierung bei Games Workshop noch nicht im Vordergrund stand, war das nicht so. Stattdessen gab es detaillierte Anleitungen, dank derer man sich allerlei Kriegsgerät aus preisgünstigen Bastel-Utensilien zusammenbauen konnte.

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Ein amtlicher Baneblade-Kampfpanzer aus ein paar Plastikbögen und Pappe? Bitteschön, die Anleitung gibt’s in White Dwarf Nr. 132. Heute bekommt man das Modell auch im Laden – für 110€. (Quelle: White Dwarf Nr. 132, S. 53)

7) Spielzeug-Titanen

Nicht nur, dass die Designer damals solche Anleitungen veröffentlichten, sie klatschten ihre Eigenbauten aus allem zusammen, was grade zu finden war – darunter auch andere Spielzeug- und Modellbauserien.

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(Quelle: White Dwarf Nr. 120, S. 46)

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(Quelle: White Dwarf Nr. 120, S. 47)

Und so ist in den beiden Titanen, die in White Dwarf Nr. 120 zu sehen sind, das Gehäuse eines Red Scavenger Zoids des japanischen Herstellers Tomy verbaut (und bei genauerem Hinsehen noch ein paar weitere Elemente aus dessen Bausätzen). Die Beine und der Unterkörper stammen bei beiden Titanen von einem AT-ST aus der StarWars-Actionfigurenserie von Kenner. Das ist nicht so belanglos, wie man denken sollte, denn die verwendeten Spielzeugteile sind nicht irgendwo an den Titanen versteckt, sondern bilden die zentralen gestalterischen Elemente.

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Ein AT-ST von 1983. (Quelle: Sandtroopers.com)

RedScavenger

Ein Red Scavenger Zoid von 1987.

Die beiden Modelle sind zwar Einzelstücke, aber heute hätte es wahrscheinlich einen Rechtsstreit zur Folge, wenn eine Spielzeugfirma ohne Genehmigung indirekt das Design anderer Spielzeugfirmen benutzte. 1989 allerdings hat das anscheinend niemanden interessiert.

8) Warlord-Titanen sind eigentlich Bären

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Apropos Titanen: Ich dachte immer, die bescheuertste Idee im Warhammer40k-Universum wäre, dass einer der an die katholische Kirche angelehnten Space-Marine-Orden über Eliteeinheiten verfügt, die sich aus Nachfahren von Indianerstämmen zusammensetzen.

Das aber darf ich jetzt revidieren, denn in einem Artikel in White Dwarf Nr. 133 zu Adeptus Titanicus (einem Vorgängersystem des bekannteren Epic 40.000) wird uns ein Stück Hintergrundgeschichte geschildert, das meines Wissens nach in allen anderen Regelwerken zu Titanen unter den Tisch gefallen ist: Warlord-Titanen (Kampfläufer in der Größenordnung eines mittleren Wolkenkratzers) wurde die Persönlichkeit von Grizzlybären eingespeist, warum auch immer.

So eine turmhohe Maschine, die wie eine Mischung aus Roboter, Ritter und Riesenkäfer über die Schlachtfelder stampft, interessiert sich also in Wahrheit hauptsächlich für Lachs und kann, eine entsprechende Dressur vorausgesetzt, auf sehr kleinen Motorrädern fahren. Gut zu wissen.

9) Thrash Metal war mal serious Business

1990 machte der White Dwarf eine Leserumfrage, in der man neben Antworten auf naheligende Fragen nach den Lieblingsspielen aus dem GW-Kosmos auch ankreuzen konnte, welche Musikrichtung man hört:

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(Quelle: White Dwarf Nr. 130, S. 27)

Hm, Hip-Hop, House, Independent, Metal, Thrash – Moment, was? Ausgerechnet Thrash Metal, dieses schrammelige Geknüppel, war anno 1990 in England relevant genug, um einen eigenen Ankreuzpunkt zu rechtfertigen? Oh, okay.

10) Games Workshop hat ein Album von Bolt Thrower koproduziert

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(Quelle: White Dwarf Nr. 119, S. 20)

Wo wir grade bei Musik sind: Die Musiker der britischen Death-Metal-Band Bolt Thrower waren, wenn sie nicht standesgemäß mit notgeilen Groupies ihre Freizeit vergeuden mussten, begeisterte Warhammer-Püppchenanmaler. So begeistert sogar, dass sie einige Songs darüber aufnahmen (nicht übers Püppchenanmalen, sondern über Kriege in der Warhammer-Welt). Die kamen den Games-Workshop-Machern zu Ohren, woraufhin sie der Band anboten, für deren kommendes Album das Artwork zu übernehmen und den Vertrieb zu unterstützen.

Und so bekam Realms of Chaos – Slaves to Darkness ein Cover, das bereits die Erstausgabe der Warhammer40k-Regeln zierte. Laut White Dwarf Nr. 119 lag das Album schon drei Wochen vor offiziellem Verkaufsstart in jedem Games-Workshop-Laden, zur Freude aller jeansjackentragenden Fetthaarigen, und es verkaufte sich offenbar so gut, dass noch eine zweite Vinyl-Auflage als Picture Disc nachgelegt wurde.

Bolt Thrower rocken übrigens am besten beim Staubsaugen und bei jeder anderen Tätigkeit, durch die die Stereoanlage übertönt wird.




3 Kommentare

1) Peroy

19. März 2015, 18:40

Oha, für #10 kommste in die Hölle…

2) Torsten Gerlach

31. Juli 2017, 16:27

Hey Ho,
hab diesen Artikel erst jetzt entdeckt und ich muß sagen, KEULE, du hast mir aus der Seele gesprochen.
Als ich 1984 mit der 1.Edition von Warhammer und Dungeon & Dragons anfing, war für mich die Welt zum Paradies aufgestoßen. Fantasy Miniaturen wie man sie nur aus Büchern kannte, konnte man nun in Händen halten und auch bemalen.
Zwei mal jährlich zum Stard nach Hamburg (Anm. Veranstaltung von Citadel Generalvertrieb Hamburg Thomas M.Look), Warhammer, Traveller, D&D etc. in Masse. Die Leute waren cooler drauf, als die verwöhnten GW Konsumenten heute.
Mit der 4.Ed. War auch für mich das Thema Citadel bzw. Games Workshop vorbei, obwohl ich immer noch „Oldhammer“ Sammler bin.

3) Festus

27. April 2018, 20:29

und Brian May (Queen) war mal im WD und hat das Boltthrower Album mitentwickelt…

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