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4 Gründe, das Fantasy Filmfest in diesem Jahr zu meiden und 1 wirklich guter, um trotzdem hinzugehen

Jedes verdammte Jahr nehme ich mir vor, keine Dauerkarte fürs Fantasy Filmfest mehr zu kaufen. Es ist teuer, es kostet jenseits der finanziellen Investition acht Urlaubstage und eine Menge Schlaf, man sieht nichts, was man nicht auch anderweitig bekommen würde und viele der gezeigten Filme sind, bei aller Liebe, nicht so wirklich toll. Und dieses Jahr ist es besonders schlimm.

Um das mal im Detail aufzudröseln, kommt jetzt ein grantiger Früher-war-alles-besser-Rant. Bitte anschnallen (und runter von meinem Rasen!):

1) Der Preis

Räumen wir erst mal das Offensichtliche aus dem Weg: die neuerliche Preiserhöhung auf mittlerweile 210 Euro für ein Ticket fürs ganze Festival ist happig. Klar, die Preise steigen allerorten, und wenn ich die Ticketpreise der letzten zehn Jahre in Relation zur jährlichen Inflation betrachte, sieht das ganz okay aus. Nur ist die Begründung der Festival-Macher eine ziemlich wackelige: im diesjährigen Newsletter hatten sie erklärt, dass sie eigentlich davon ausgegangen waren, dass die Kosten durch die Umstellung des Festivals auf rein digitalen Betrieb sinken würden, weil keine sackschweren Filmkopien mehr durch die Weltgeschichte transportiert werden müssen. Stattdessen habe sich jetzt aber das Konvertieren der von den Verleihern angelieferten Dateien in abspielbare Formate leider, leider als so verflucht teuer herausgestellt. Nee, sorry, glaube ich euch nicht. Video-Konvertierungen sind ein wesentlicher Teil meines Brot-Jobs, und ich bin in den verschiedenen Tools, die ich dafür verwende, noch nicht über den Geld-verbrennen-Button gestolpert. Mag sein, dass die in Kinos verwendeten DCP-Formate noch mal eine Klasse für sich sind, aber keiner kann mir erzählen, dass das Bisschen Datenverarbeitung teurer ist, als wenn man etwa 60 Filmkopien mit einem Gewicht von je ca. 35 Kilo von irgendwo auf der Welt kommen lässt, sie quer durch die Festivalstädte und schließlich zurück zum Absender schickt. Von einem kommerziellen Festival erwarte ich nicht, dass die Preise runtergehen, sobald die Kosten sinken, aber sie mit einer fadenscheinigen Begründung zu erhöhen – das ist schlechter Stil.

2) Talking Heads

Natürlich muss man nicht so bescheuert sein, sich mit Dauerkarte für zwölf Stunden am Tag ins Kino zu setzen. Es gibt schließlich auch Einzeltickets für in Ordnung gehende 9€ pro Film, aber das macht die Entscheidung für einen Kinobesuch unter Umständen noch schwerer. Wenn man 210€ gezahlt hat, steht man quasi vor vollendeten Tatsachen, aber warum sich für ein, zwei Filme heutzutage noch ins Kino schleppen, wenn ein fetter Flachbildschirm mit 3D und X.1-Soundsystem direkt im Wohnzimmer steht? Dann muss man fragen: Was leistet das Kino denn jenseits der bloßen Technik? Antwort: Es gibt Filme, die auf großer Leinwand einfach mehr Spaß machen. Das müssen nicht mal die großen Fantasy-Schlachten-Epen und CGI-Extravaganzen sein, sondern das trifft auf jeden Film zu, der auf visuelle Reize setzt. Ein kleiner Film wie zum Beispiel Bronson, der die Bildsprache Kubriks zitiert, gewinnt im Kino enorm. Oder auch der diesjährige The Lords of Salem von Rob Zombie, der inhaltlich ein kompletter Griff ins Klo ist, dessen Sets aber mit großartigen Details vollgestopft sind. In diese Kategorie fallen mittlerweile leider die wenigsten Fantasy-Filmfest-Filme. Dieses Jahr waren es von den 36, die ich mir angesehen habe, nur vielleicht ein halbes Dutzend, bei denen ich hinterher froh war, sie im Kino gesehen zu haben. Natürlich sind die Zeiten härter und die Budgets spürbar kleiner geworden, aber das entschuldigt nicht das Fehlen der großen Bilder. Wo sind die bombastischen Inszenierungen, die Bigger-than-Life-Momente? Die visuell erzählten Geschichten? Es wirkt dieses Jahr, als hätten sich die Macher damit abgefunden, dass ihre Werke sowieso nur für Fernseher gedreht werden.

3) Nichts Exklusives

Filme kennen ist unter Kino-Nerds Herrschaftswissen. Früher war das FFF in dieser Hinsicht etwas Besonderes, denn hier gab es Filme, die es sonst nirgends gab. Wenn man vor vielleicht zehn Jahren einen hübschen, sehr klein produzierten Film wie The Inside Story verpasst hat, dann war der weg. Es war längst nicht bei allen Festival-Filmen klar, ob sie in den Videotheken landen würden (von einem Kinostart gar nicht erst zu reden), es war nicht mal immer klar, ob solche Filme überhaupt irgendwann mal wieder auftauchen würden. Den besagten The Inside Story würde ich gerne mal wieder sehen, nur wo? Wahrscheinlich gibt’s den in Australien auf DVD (denn da wurde er produziert), aber ihn daher zu besorgen wäre mir zu aufwendig. Selbst wenn ich ihn illegal aus dem Netz ziehen wollte, hätte ich vermutlich schlechte Karten, so obskur, wie das Ding ist. Heute dagegen kann man sich sicher sein, dass binnen eines Jahres das gesamte Festivalprogramm verfügbar ist, uncut und in technisch bester Qualität. Natürlich ist das schön, und immerhin sieht man die Filme auf dem Festival vor allen anderen – aber auch nicht sehr wesentlich früher. Die DVD- und BluRay-Starts für manche der Filme lagen in den letzten Jahren nur noch ein paar Wochen hinter deren Festival-Einsatz, viel Vorsprung ist das nicht. Womit wir wieder beim Heimkino-Problem wären: warum soll ich mich noch ins Kino zu bewegen, wenn die Videothek näher und billiger ist? Das zumindest hab ich mir gedacht, wenn ich wieder irgendeinen drögen Quatsch im Kino erdulden musste, und mir dann überlegt, wie angenehm es jetzt wäre, diese Gurke abzubrechen und schnell den nächsten Film in den Player zu legen.

4) Die Filmauswahl

Und das ist der eigentliche Kern des Problems: abgebrochen habe ich in diesem Jahr mehr als einmal. Sonst konnte es mal vorkommen, dass ich bei einem oder zwei Filmen pro Festival vorzeitig den Saal verlassen habe, in diesem Jahr waren es ganze sechs. Dabei hatte ich schon die Termine ausfallen lassen, bei denen klar war, dass da sowieso nichts Gutes bei rumkommen kann. Ich glaube nicht, dass ich mich nur beschwere, weil ich alt und grau werde: dass die Filmauswahl in diesem Jahr sehr durchwachsen ist, war der Tenor unter den Berliner Dauerkartenbesitzern. Es gab nicht nur viel Schrott, sondern auch kaum Filme, die ich mir ein zweites Mal ansehen würde, und nicht einen einzigen Film, der mich emotional wirklich gepackt hätte. Die Festival-Woche war bettelarm an Glanzlichtern. Stimmt nicht? Dann vergleichen wir die Ausbeute dieses Jahres mal mit den Hits von 2010: Enter the Void, Rubber, Four Lions, The Wild Hunt, Bedevilled, Little Big Soldier, Redline, Amer, Tucker & Dale vs. Evil. Oder hey, 2009: OSS 117 2, Deliver us from Evil, Ip Man, Red Cliff, District 9, Moon, Black Dynamite, Bronson. Was soll denn da aus diesem Jahr mithalten? Was sind denn 2013 die Filme, über die man 2016 noch reden wird? Der israelische Folterthriller Big Bad Wolves und der indische Genre-Mischmasch-Irrsinn Makkhi – und dann sieht’s schon mau aus. Klar kann es sein, dass es im nächsten Jahr wieder besser wird, aber die Dauerkarte kauft man leider, bevor auch nur ein einziger Film für das Festival bestätigt ist. Und ich weiß nicht, ob ich noch mal das Risiko eingehen möchte, am Ende eine Menge Asche und eine Woche Urlaub für Mittelmaß rausgehauen zu haben.

Das Publikum

Damit bleibt als einzige, wirklich allereinzigste Daseinsberechtigung für das FFF… das Publikum. Ihr, ich, wir alle. Kein anderes Festival hat ein Publikum, das so mit den Filmen mitgeht, hemmungslos und dreckig über asoziale Witze lacht, zu Johlen anfängt, wenn die Hauptdarstellerin das Shirt auszieht, bei beschissenen Filmen auch schon mal hämische Kommentare durch den Saal ruft und frenetischen Szenenapplaus gibt, wenn die letzte Überlebende eines Leinwand-Massakers dabei angefeuert werden muss, wie sie einen ihrer Peiniger mit einem Kotelett-Hammer zu Matsch prügelt.

Mit so was kann keine noch so gemütliche Couch mithalten, nur müssen dafür die Rahmenbedingungen stimmen. Noch ist das Publikum prinzipiell wohlgesonnen und feierwillig, und ich hoffe inständig, dass die nächsten Festivals dazu beitragen, dass das so bleibt, dass die Preise mal eine Weile stabil bleiben, dass die Festivalmacher wieder ein paar Sachen an Land ziehen, die hinterher in meiner ewigen Top-100 landen, dass sie irgendeinen obskuren Minifilm anschleppen, der sich dann als ein Überhit herausstellt, auf den meine festivalfaulen Freunde ein Jahr warten müssen, und dass die Filmemacher sich darauf besinnen, was einen Kinofilm ausmacht. Das Fantasy Filmfest ist eine Institution, und das soll es bitte auch bleiben. Mir würde sonst was fehlen.




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