Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

Fantasy Filmfest 2011 – Tag 1

Jedes Jahr Ende August denke ich, dass es für mich dieses Mal das letzte Mal war: das Fantasy Filmfest. Neun Tage, fast fünfzig Filme, meist sechs am Tag. Extremgucken. Jeden Tag China-Nudeln. Koffein (viel). Hetzerei zwischen den beiden Festival-Kinos. Krieg um gute Sitzplätze. Tagelang kaum Tageslicht und kollabierende Klimaanlagen. Ungewaschene Fett-Nerds mit fiepsigen Stimmen und viel Mitteilungsbedürfnis. Spätestens nach Tag sieben wird es anstrengend, vor allem, wenn die präsentierten Leinwandspiele bis dahin unterm Strich Spaß gemacht haben – denn etwa ein Drittel des Programms setzt sich, jahrein, jahraus, aus Scheißfilmen zusammen, garantiert, und die kommen dann auch gerne mal an zwei Tagen in geballter Form. Trotzdem: jedes Jahr im Februar ordere ich dann doch eine Dauerkarte. Wie schon in den letzten zwei Jahren schreibe ich wieder Kurzkritiken zu restlos allem, was ich sehen werde, diesmal mit der beim Gratis-Comic-Tag bewährten The Good, The Bad & The Durchschnitt-Methode. Auf dicke Spoiler werde ich in den Texten selbstverständlich verzichten, aber wer ganz sicher gehen will, sollte vielleicht besser gar nicht erst weiterlesen – sagt nicht, man hätte euch nicht gewarnt. Nu aber los, heute (bzw. gestern) Abend war schließlich schon Eröffnung in Berlin:

Don’t be afraid of the Dark

Eine Neunjährige, deren Eltern in Trennung leben, wird von ihrer Mutter an den Vater abgeschoben. Der hat eine neue Partnerin, mit der zusammen er die Villa eines vor Jahrzehnten unter geheimnisvollen Umständen verschwundenen Künstlers renoviert. In dem weitläufigen, düsteren Haus spiegeln sich die Ängste der Kleinen wieder, deren leibliche Eltern keine Zeit für sie haben und deren Stiefmutter in spe nicht mit ihr umzugehen weiß. Bald kommt es zu genretypischen Vorfällen, die auf das Kind zurückzugehen scheinen, von diesem aber auf kleine Monster aus dem Keller geschoben werden.

Leider verzichtet der Film schon von Beginn an auf jede Ambivalenz und entscheidet sich sehr bald dafür, seine Antagonisten überdeutlich ins Bild zu setzen, die sich als sehr hässliche Ratten entpuppen, die offenbar mit Schlümpfen gekreuzt wurden – der (durchaus gewollte) psychologische Subtext geht unter im Gekreisch der kleinen CGI-Kreaturen.

Dadurch, dass die Gnome klar als Teil der wirklichen Welt angelegt sind, mutet Don’t be afraid of the Dark an wie pulpiger Quatsch, der er eigentlich gar nicht sein möchte, denn die Umsetzung ist makellos und dürfte schreckhafte Zuschauern in manchen Szenen einiges abverlangen. Wirklich ernst nehmen kann man das alles aber nicht mehr wirklich, wenn erst mal kleine graue Männchen feixend im Blumenkübel hocken. The Durchschnitt.

The Yellow Sea / Hwanghae

Gu-Nam ist ein Verlierer. Der chinesische Taxifahrer hat Schulden bei den Triaden, weil er seiner Frau ein Visum für Südkorea erkauft hat. Die aber meldet sich nicht mehr bei ihm und hat ihn anscheinend in den Wind geschossen. Der einzige Ausweg, der ihm noch bleibt, ist einen Job für die Verbrecher zu übernehmen: er wird nach Südkorea eingeschmuggelt und soll dort binnen zehn Tagen einen Mann töten. Bringt er dessen abgeschnittenen Daumen als Beweis für die Tat zurück, ist er seine Schulden los. Falls er es nicht schafft oder sich absetzen will, werden sich die Gangster mit seiner kleinen Tochter auseinandersetzen. Gu-Nam beginnt die Tat zu planen, versucht aber gleichzeitig, das Schicksal seiner Frau zu klären. Diese ersten zehn Tage sind jedoch nur der Auftakt zu einem vorzugsweise mit Hackebeilen ausgetragenen Bandenkrieg, dessen Ausmaße immer epischer werden.

The Yellow Sea wird trotz giganischer 156 Minuten Laufzeit nie langweilig, was nicht nur daran liegt, dass sich der Film von einem Showdown zum nächsten hangelt, sondern auch daran, dass er zahlreiche sehenswerte Facetten hat: der glaubwürdig konstruierte, gut erzählte und ziemlich blutige Action-Thriller bietet bitteres Sozial-Drama genauso wie einige völlig atemlose Verfolgungsjagden und garniert seine nihilistische Grundhaltung mit Anflügen von Coolness und grummeligem Humor. The Good.




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