Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

Schwarze Bretter

(Bild: © LucasArts)

Schwarze Bretter sind was Tolles. Ihre Nutzung kostet nichts, sie werden in der Regel nicht inhaltlich kontrolliert und gewähren den Nutzern relative Anonymität. Eigentlich genau wie das Internet, und genau wie im Internet ziehen die günstigen Rahmenbedingungen eine bunte Schar Perverser, Klemmis und Wirrköpfe an, die sich auf diesen schwarzen Brettern verweigen. Im Internet aber wird es solchen Botschaften immer ein Stück weit an Authentizität fehlen – ein simpler, in Browser-Schriftart gehaltener Text kann in dieser Hinsicht niemals mithalten mit der stofflichen Präsenz eines von einem schwarzen Brett abgepflückten Dokuments sexueller Obsession, sozialer Degeneration oder schlichter Idiotie. Seit Jahren überfliege ich deswegen jeden öffentlichen Aushang und jede Flugblattauslage, an der ich vorbeikomme und archiviere die seelenvernichtendsten Beutestücke für die Nachwelt. Hier nun eine kleine Auswahl.

Das zum Beispiel hab ich letztes Jahr an der Christian-Albrechts-Uni in Kiel entdeckt:

(Zum Vergrößern anklicken.)

Mich beunruhigt weniger, dass Olivers Handschrift aussieht wie die eines Viertklässlers, oder dass er den Wagen explizit an weibliche Studierende verleihen möchte und diese Geschlechterfixierung durch den Verweis auf den etwaigen „festen Freund“ auch noch sexuell konnotiert. Mich beunruhigt nicht, dass er glaubt, sein Angebot attraktiver machen zu müssen und den Leserinnen deshalb erklärt, wofür man so ein Auto eigentlich gut gebrauchen könnte (weil diese von alleine auch nie auf solch abwegigen Einsatzmöglichkeiten wie Wochenende, Strand, Urlaub, Umzug, etc. gekommen wären). Mich beunruhigt nicht, dass Oliver zwei Mal mit seinem Namen unterschreibt und ihn nur eine Zeile darunter ein drittes Mal nennt, oder dass er drei Handys hat und ihm die ganze Sache offenbar so wichtig ist, dass er sicherheitshalber alle drei Nummern angibt. Mich beunruhigt nicht, dass er für diesen ganzen Rundumservice anscheinend keine Gegenleistung will, bzw. dass er vermutlich nach Rückgabe des Wagens andächtig an den Polstern schnuppert und sich zurechtphantasiert, wie an roten Ampeln diverse Mädchenhintern unruhig auf dem Fahrersitz hin und her gerutscht sind oder sich am Wochenende, am Strand, im Urlaub oder beim Umzug die Rückbank mit dem festen Freund geteilt haben.

Nein, was mich nicht mehr ruhig schlafen lässt ist vielmehr, dass trotz all dieser eigentlich unübersehbaren Warnsignale vier von acht Abreißzetteln fehlen. Kieler Studentinnen, ihr habt echt ein Transportproblem, oder?

Konkurrenz für Oliver: Der ÖPNV in Norddeutschland (Zum Vergrößeren anklicken).

Hier direkt noch mal was aus dem hohen Norden – diesen Demonstrationsaufruf hat mein Kollaborateur Dirk M. Jürgens vor ein paar Jahren in Rendsburg eingesammelt:

Es wäre eventuell sinnvoll gewesen, wenn die Jungs mal dazugeschrieben hätten, wann und wo ihre Demo denn eigentlich stattfinden sollte. Gekommen sind dann – wie aus der Lokalpresse seinerzeit zu entnehmen war – auch nur der Initiator und ein paar seiner Kumpels, und sie alle haben sich dem Journalisten gegenüber bitterlich darüber beschwert, dass ihr wichtiges Anliegen offenbar niemanden interessiere. Dirk meinte dazu nur lapidar, dass ihm das Prinzip der sozialen Ungleichheit mit einem mal sehr plausibel und vernünftig erschien.

Das hier stammt aus der Bochumer Ruhr-Uni, erste Hälfte der 00er Jahre:

Man mag darüber geteilter Meinung sein, ob es angemessen ist, das Jahre alte Armutszeugnis eines verhuschten Studis rhetorisch zu zerrupfen, aber grade dieser Wisch ist in so vielerlei Hinsicht so furchtbar und so symptomatisch, dass ich mich in der Pflicht sehe. Wohlan:

Hey Bochumer Juristen – Dieses ganze zwischenmenschliche Zeug funktioniert nicht so, wie ihr euch das vielleicht denkt. Zunächst mal dieser „Lass uns doch Freunde bleiben“-Spruch, den ihr ja offenbar regelmäßig zu hören bekommt: Gehe ich recht in der Annahme, dass die Betonung dabei auf „bleiben“ liegt? Kann ich daraus schließen, dass ihr Feiglinge versucht, euch als Freunde anzudienen, um euch dem Objekt eurer Begierde gefahrlos nähern zu können, nur um dann Wochen später damit herauszurücken, was ihr eigentlich und von Anfang an im Sinn hattet? Überrascht es euch wirklich, dass eine derart unaufrichtige Tour nicht funktioniert? Könnten eure Misserfolge ferner nicht damit zusammenhängen, dass ihr euch zwar aus bestimmt guten Gründen für nett und ehrlich haltet, der mehrheitliche Rest der Bochumer Geisteswissenschaftler euch aber aus genau den selben guten Gründen als ölige, rechtskonservative Krawattenspießer wahrnimmt, die zu allem Überdruss eine widerwärtige Begeisterung für Geld und Status ins Feld führen?

Wer seinen Club schon zu Schulzeiten gründet, hat es später an der Uni leichter. Um z.B. den Amiga- und PC-Spieleclub „The Lighthorsemen“ in einem wertigen Single-Club umzuwandeln, genügt eine simple Namensänderung („The Jurasinglemen“ o.Ä.). (Quelle: Aktueller Software-Markt 6/1993)

Angesichts dieser Charakterisierung fragt man sich ja schon, wie denn dann die erwähnten „Ar…löcher“ noch schlimmer sein könnten. Oder eben, warum sie trotz ihrer Arschlöcherigkeit Mädchen „abbekommen“ (was ein bisschen so klingt, als ginge es da um eine göttlich organisierte Zuteilung, und nicht etwa um die willentliche Entscheidung dieser Damen, mit den bewussten Arschlöchern eine Beziehung einzugehen und euch links liegen zu lassen). Um dieses Rätsel zu entschlüsseln, schauen wir uns doch erst mal eure Definition von „Arschloch“ an: Da müssen wir uns an den Aushang als einzige zur Verfügung stehende Quelle halten, und was man der entnehmen kann, ist eigentlich nur, dass sich Arschlöcher dadurch auszeichnen, dass sie Freundinnen haben und ihr nicht. Das bedeutet, die Arschöcher können gar nichts dafür, dass sie Arschlöcher sind, nein! Das haben vielmehr die Frauen zu verantworten, die sich diesen Jungs an den Hals schmeißen, obwohl sie genausogut mit euch zusammen sein könnten, wo ihr als gute Freunde doch so viel für sie tut. Und nachdem diese undankbaren Geschöpfe unschuldige Jungs in arschige Männer verwandelt haben, sind sie auch noch so bodenlos dumm und bleiben bei diesen Dreckskerlen, ohne wenigstens ein Mal für euch verfügbar zu sein (um mal in eurem Jargon zu bleiben). Also, so was! Warum stuft ihr eigentlich solche vollhorstigen Biatches dennoch als potentielle Beziehungspartner ein? Ah so, Intelligenz gehört eh nicht zu den Eigenschaften, die ihr zwangsläufig erwartet? Was war noch mal das absolut allereinzigste Kriterium, das ihr da erwähnt? Hübsch sollte sie sein? Verstehe.

Nur einen Monat später hatten die Lighthorsemen übrigens ihr Clubprofil leicht überarbeitet. Da muss wohl in der Zwischenzeit irgendwas passiert sein, weswegen es elterlichen Ärger gab für den Clubpräsidenten, diesen… Oliver?!                     (ASM 7/93)

Und ihr Prachtexemplare wollt nun also die virtuelle wie reale Welt (inklusive der Party-Metropole Lüdenscheid) unsicher machen und die „neuesten Forschungsergebnisse“ bemühen, um die natürliche Selektion auszutricksen, mit deren Hilfe sozial überforderte Sexisten wie ihr sonst im Idealfall aus dem Genpool der Menschheit ausgesiebt würden. Was hilft es euch denn eigentlich, wenn ihr dann auf Partys im Rudel auftretet? Ist das nicht eigentlich völlig idiotisch, weil ihr feschen Mannsbilder euch da theoretisch gegenseitig Konkurrenz machen würdet? Oder hättet ihr Schiss, eine Frau anzusprechen, wenn euch nicht eine gut betankte Bande von Mitjuristen gruppendrucktechnisch dazu zwingt und euch Mut zugröhlt, während ihr einem der von euch präferierten Hübschmädchen einen auswendig gelernten Aufreißspruch ins Gesicht stammelt?

Und jetzt behauptet nicht, ich würde euch eindimensional darstellen oder zu viel in euren Text hineininterpretieren – wenn ihr einen einzigen Fitzel Selbstreflexion mit euch herumtrüget, dann müsstet ihr nur selbst noch mal drüberlesen und würdet euch nicht weiter darüber wundern, dass ihr ach so netten, ach so ehrlichen jungen Männer alleine zu Hause sitzt und sogar einen Aushang am schwarzen Brett braucht,  nur um ein paar Freunde zu finden.

Als Rausschmeißer noch das hier:

Diese Zettel hingen letzten Monat überall an der Ruhr-Uni aus. Wenn man sich vor Augen führt, dass selbst Oliver mit seinem freudianischen Offenbarungseid von einem Aushang mindestens vier Interessentinnen gefunden hat, dann verwundert es doch, dass eine vermutlich weniger dubiose Firma mit ihrem Angebot anscheinend kein Interesse zu wecken vermag – nicht einer der Schnipsel fehlt. Ist das elitäre Studentengesindel heutzutage etwa nicht mehr angewiesen auf unqualifizierte, unterbezahlte Nebenjobs? Aus der Nähe betrachtet wird offensichtlicher, was da schief gelaufen ist:

Damit jetzt niemand mit dem tröstenden Glauben nach hause geht, die fleißigen Plakatierer wären halt nur einen Moment lang unaufmerksam gewesen oder hätten sich mit diesen angepappten Schnipseln nach stundenlanger, vorschriftskonformer Kleisterei einfach mal einen singulären Jux erlaubt:




Ein Kommentar

1) LeFürscht

3. August 2010, 22:26

Angesichts der offenkundigen Aussichtslosigkeit des Lighthorsemen’schen Vorhabens drängt sich mir doch irgendwie der Verdacht auf, das Primärziel desselben wäre am Ende nicht etwa die Weckung der Paarungsbereitschaft weiblicher Zielobjekte, sondern die Erhöhung der Mitgliederzahl auf 2 gewesen. Gar nicht auszudenken, was erst passiert wäre, wenn sich diese wackere Truppe einen der vier fehlenden Abreißzettel (womöglich samt Urheber) eingesackt und fortan mit des Olivers Pimpmobil die Straßen von Lüdenscheid unsicher gemacht hätte…

Ferner muss man sich fragen, ob für den zu erwartenden Fall der dauerhaften Erfolglosigkeit womöglich ein Plan B existiert hat, bei dem der Rädelsführer unheilschwanger wissend in die Runde blickt, während reihum die Gesäßbacken noch ein wenig mehr zusammengekniffen werden, als es der künftige Berufsstand ohnehin gebietet. Man bedenke die schicksalshaften Schlussworte des zweiten Absatzes…

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