Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

Wenzel Storchs „Das Maschinengewehr Gottes“

Nach der Premiere seines Theater-Erstlings Komm in meinen Wigwam im vergangenen Jahr erzählte mir Wenzel Storch mit leuchtenden Augen, dass er grade für ein Butterbrot zig Jahrgänge alter Messdienerzeitschriften in sein Katholenpop-Archiv aufgenommen hatte. Die Lektüre hat offensichtlich Früchte getragen, denn jetzt läuft mit Das Maschinengewehr Gottes Storchs zweite Bühnenarbeit am Theater Dortmund, eine, laut Selbstauskunft, „Kriminal-Burleske aus dem Messdienermilieu“.

Das Maschinengewehr Gottes

Eine wilde Reise in das Herz des katholischen Traums.

Ging es im Wigwam um Berthold Lutz, den unfreiwillig komischen Dr. Sommer für katholische Klemmi-Kinder in den 50ern, so huldigt das Hildesheimer Ausnahmetalent nun einem weiteren modernen Heiligen: Johannes Leppich war ein Wanderprediger, der sich in den 50er und 60er Jahren selbst den Maschinengewehr-Künstlernamen gab und auch in seinen Reden alles daran setzte, sich als extremistischer Demagoge zu inszenieren, den die Staatsgewalt heute vermutlich flugs als Hassprediger einkassieren würde. An der realen Person Leppichs ist Storch freilich nicht interessiert. Stattdessen nutzt er seine bewährte Collagentechnik und bindet ausgesucht furchtbare Leppich-Zitate in eine Geschichte ein, die wiederum die katholische Jugendliteratur zitiert – eine Textgattung, die die jungen Schäfchen in aufregende und natürlich dennoch stets christlich-biedere Abenteuer entführt („SOS, wir landen im Kloster“), und die seit 40 Jahren aus gutem Grund ausgestorben ist.

Johannes Leppich

Ein Blick wie panzerbrechende Munition: Pater Leppich.

Zu Beginn speziell dieses Abenteuers leben die Messdiener_innen Erika und Lutz mit ihrem Oberministranten Egon in einem Beichtstuhl. Viel mehr ist von der Dorfkirche nicht übrig geblieben, seit Kaplan Buffo seine Gemeinde beim Würfelspiel mit Bauer Hümpel verzockt hat, dem es daraufhin gefiel, das Gelände zum Erbsenacker umzuwidmen. Der Herr Kaplan hat sich daraufhin aus dem Staub gemacht, weswegen Egon und die Seinen nun einen Ersatzkaplan aus dem Versandkatalog bestellen: das „Maschinengewehr Gottes“.

Das erstaunlichste an dieser Inhaltsangabe ist, dass sie wirklich ziemlich präzise dem entspricht, was auf der Bühne zu sehen ist. Verglichen mit Storchs bisherigen Werken, bei denen man als Rezensent nur händeringend versuchen kann, irgendeine Ordnung im Chaos zu finden, ist Das Maschinengewehr Gottes tatsächlich eine von A nach B erzählte Handlungsabfolge. „Geschichte“ möchte man es dann trotzdem nicht ohne nervöse Zuckungen nennen, denn das Stück ignoriert gekonnt jede klassische Idee von Dramaturgie. Die war noch nie Wenzel Storchs Stärke, und man könnte durchaus argumentieren, dass das, was seine Werke ausmacht, nicht mit der landläufigen Idee einer Erzählung unter einen Hut zu bekommen ist, ohne dass eine der beiden Seiten darunter leidet.

Trotzdem ist das Gottes-MG das Durchschnittszuschauerfreundlichste, was Storch bislang gemacht hat, ohne dass seine üblichen Stilmittel zu kurz kommen. Bei diesem Kompromiss gibt es auch weiterhin treudoof-naive Dialoge, albernen Humor, surrealen Unfug, und einmal mehr wirkt das alles, als hätte ein missgünstiger Alleinunterhalter-Clown die Kindergeburtstagsbowle mit Flüssig-LSD geimpft. Dafür fehlen aber die wirren Schlenker, Anmerkungen und breit getretenen Fußnoten. Zwischendurch kehrt das Stück zwar immer mal wieder zur Rahmenhandlung zurück, in der uns die Mär vom Maschinengewehr von einem ölig-jovialen Gemeindereferenten präsentiert wird, aber das ist nichts verglichen mit dem Durcheinander, das noch Komm in meinen Wigwam auszeichnete.

Das Maschinengewehr Gottes

Klerik as Klerik can: Gustaf Gründgens würde das Mephistopheles-Makeup in frustrierten Tränen zerlaufen.

Die Selbstbezichtigung „Kriminal-Burleske“ stimmt allerdings nur bedingt, denn das Stück ist auf jeden Fall ein grober Schwank, der auch nicht davor zurückscheut, Wortspiele schmerzhafteren Kalibers handlungsrelevant zu machen. Für einen Krimi aber fehlt es an Kriminalität, es gibt kein Verbrechen, und das, was in der Storchschen Welt als solches durchgeht, wird am Ende natürlich nicht aufgelöst, sondern verläuft sich in weiteren Unsinns-Kannonaden, die genausogut noch ein paar Szenen lang weitergesponnen werden könnten – stattdessen ist das Überraschendste an der „Auflösung“, dass nach 70 Minuten einigermaßen plötzlich alles vorbei ist.

Ansonsten aber macht Storch alles wie gehabt. Einmal mehr sind fast alle Mimen auf der Bühne Amateure (dieselben wie schon im Wigwam) und stehen in den Kulissen rum wie bestellt und nicht abgeholt. Das sollte man nicht mit Unvermögen verwechseln – etwas unbeholfen aussehen zu lassen ist eine Kunst für sich. Das beste Beispiel für diese Doppelbödigkeit, die sich auch in Wenzel Storchs Filmen findet, ist Storch-Neuzugang Andreas Beck, der einen Alkoholiker spielt, der wiederum irgendwie auf einer Theaterbühne gelandet ist, dort gleich fünf Rollen gibt, mit allen und allem überfordert ist und desolat schwitzend immer wieder versucht, sich die zitternden Hände ruhigzutrinken. Allein für diesen bombastischen Auftritt lohnt sich der Besuch, und für alles andere selbstverständlich auch.

Termine und Karten für Das Maschinengewehr Gottes gibt es hier oder unter der Telefonnummer 0231/50-27222.




Ein Kommentar

1) Wenzel Storchs “Das Maschinengewehr Gottes” | -=daMax=-

16. Januar 2016, 10:28

[…] like fun Sonderland hat eine Rezension geschrieben und die Termine und Karten für Das Maschinengewehr Gottes gibt es hier oder unter der […]

Kommentieren