Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

Amateurfilm, du… (Teil 9)

Also, Zielgerade: es ist vertrackter, als es sich in Teil 8 darstellt, weil es auf Youtube trotz allem nicht das gibt, was ich mir wünsche – und was ich mir wünsche, sollte ich vielleicht mal formulieren: ich wünsche mir nämlich nichts Youtube-typisches, keinen Katzen-Content, keine Schminktipps, Miley-Cyrus-Arschwackelclips, Unboxing-Videos oder vom Fernseher abgefilmte Simpsons-Ausschnitte auf serbokroatisch. Ich will auch nicht die guten Sachen, die Trailer-Re-Cuts, Cinemassacre-Clips, RedLetterMedia-Filmkritiken, und, und, und. Ich will großes Kino, Genrefilme. Action. Drama. Martial Arts. Horror (ja, auch Horror, trotz allem, was ich hier schon geschrieben habe). In Spielfilmlänge. Epische Unterhaltung, aber mit dem Twist, der seit jeher die Geschichten auszeichnet, die abseits der ausgetretenen Pfade des Mainstreams erzählt werden. Halt all das, was überall auf der Welt erfolgreich produziert wird, nur hier nicht (aus zigtausend Gründen, die ich hier und jetzt nicht aufdröseln werde).

Die deutsche Kino-Industrie überlässt in dieser Hinsicht den US-Produktionen das Feld. Das Fernsehen produziert in einer Tour unglaubliche Furchtbarkeiten. Die Amateurszene verspricht mir genau das, was ich suche, nur um es dann nicht für fünf Pfennig hinzubekommen, was einer der Gründe ist, warum ich das alles hier schreibe.

Einzig einige Youtuber schaffen es, etwas Originelles auf handwerklich hohem Niveau zu schaffen, das auch noch eine kritische Masse an Publikum erreicht, mit dem die ganze Angelegenheit wirtschaftlich verwertbar wird, wodurch sich eigentlich eine Finanzierung für einen Spielfilm auf die Beine stellen lassen sollte. Nur sind die Videos der Youtuber formal in der Regel vom Spielfilmformat meilenweit weg, nicht nur, was die Laufzeit betrifft – und warum sollten sie sich auch damit abgeben? Schließlich sind sie erfolgreich mit dem, was sie tun.


128 Sekunden Awesomeness. Würde in Spielfilmlänge eventuell nicht funktionieren.

Ist das Format „Spielfilm“ vielleicht einfach nicht mehr zeitgemäß? Mache ich mich zum Idioten, wenn ich sage, dass ich es bei manchen Youtube-Kanalbetreibern spannend fände, wenn sie den Sprung auf die große Leinwand schafften? Ist das heute überhaupt noch ein Sprung nach oben und vorne? Oder ist das eher so, als würde man einem Starfotografen zu seinen Bildern gratulieren und ihm dann vorschlagen, die doch mal in Öl zu malen?

Brauchen wir überhaupt einen dezidiert deutsches Independent-Genrekino? Eigentlich ja nicht, denn, ich hab’s schon mal gesagt, es gibt sowieso schon zu viel Entertainment. Genausogut kann man also einfach auf seiner Couch verfaulen und den Rest der Welt machen lassen. Wer das möchte: bitte! Aber wenn jemand weiß, wie man den Clownhorrorfilm (oder egal welches gottlose Subgenre) für immer revolutionieren könnte und dieser jemand leider nicht in LA, sondern in Wanne-Eickel lebt, dann wäre es doch eigentlich wünschenswert, wenn er oder sie trotzdem die Möglichkeit hätte, das adäquat umzusetzen.

Ich nehme mich selbst da nicht aus, ich habe (Kurz-) Filme gedreht und würde sicherlich heute noch regelmäßig welche machen, wenn die Bedingungen andere wären. Dennoch möchte ich dem Eindruck widersprechen, der sich jetzt aufdrängen könnte: dass diese ganze Artikelserie nur entstanden ist, weil ich unfähiger Depp neidisch zu denen hinüberschiele, die tatsächlich ihre Filmprojekte gewuchtet bekommen habe, egal wie beschissen ich die in ihrer Mehrheit auch finden mag. Denn das Problem geht deutlich über meinen eigenen Tellerrand hinaus. Unter welchen Bedingungen entstehen denn Amateurfilme in aller Regel? Doch hauptsächlich an Wochenenden, wenn alle mal Zeit haben, neben einer Belastung durch eine Vollzeitstelle, neben den Verpflichtungen durch Freunde, Partner und vielleicht sogar Kinder. Wenn man solche Projekte knallhart vorantreibt, nehmen sie Energie weg, wo eigentlich schon keine mehr ist, sie erzeugen kein Kapital, sondern brauchen es auf, statt einen zu erfüllen, belasten sie das Privatleben. Wenn man zwanzig ist, klingt das ganz okay, aber was solll da die langfristige Perspektive sein? Wenn man andererseits so einen Film in einem vertretbaren Rahmen umsetzt, dauert es entweder Jahre bis zur Fertigstellung (wie z.B. bei Michael Valentins El Guitarrista – Salvador de Guitarras, auf den ich im Übrigen weiterhin gespannt bin), oder man nimmt mehr oder weniger schwerwiegende Kompromisse in Kauf. Oder flüchtet sich in die uneigentliche Scheinwelt der Ironie, mit der sich solche Kompromisse kaschieren lassen.


Der Dreh ist Jahre her, aber ich meine, dass ich der Typ bin, der bei 1:07 an der Bar sitzt.

Wie eigentlich überall würde Geld sicher nicht alle Probleme lösen, aber alles einfacher machen. Geld allerdings ist nicht da. Die Filmförderung, die sich um genau so was eigentlich kümmern sollte, greift nicht, Investoren gibt es nicht, selbst Crowdfunding ist zwar möglich, aber schwierig. Klar kann man so ein Projekt dann trotzdem durchziehen, indem man sich bis zum Anschlag verschuldet, schließlich ist man von der Qualität dessen, was man da tut, überzeugt. Dafür müsste man allerdings vollends bescheuert sein. Es ist längst nicht damit getan, ein vermeintlich erstklassiges Produkt abzuliefern, denn selbst ohne dieses Finanzierungsproblem haben wir hier nicht die notwendige informelle Infrastruktur, um die Existenz eines solchen Werks dann zu kommunizieren. Der faktische Ausschluss der Öffentlichkeit hört ja nicht beim Amateurfilm auf. Es ist kein Wunder, dass ich die Videos, die Michael mir vorgestellt hat, nicht kannte, denn in Deutschland fehlen die popkulturellen Strukturen, um sich über derartiges zu verständigen. Kein Topless Robot als Sammelbecken für gemischte Nerd-Nachrichten, kein /Film oder Latino Review, wo man sich über Filme informieren könnte. Sogar an gesellschaftlich breit anerkannten Filmkritikern á la Roger Ebert mangelt es. Man kann sich also tatsächlich die Frage stellen, wie man denn, so man kein größeres Werbebudget hat, überhaupt sein Werk bekannt machen soll, wenn nicht über Szenearbeit – deren Wirkung dann aber eben wieder auf diese Szene begrenzt bleibt. Womit wir dann wieder am Anfang dieser ganzen Geschichte wären.

Ich würde diese Serie gerne mit einem flammenden Appell beenden, mit einer klaren Handlungsaufforderung, durch die dann alles sofort besser wird, mit irgendwas Positivem – ich befürchte aber, dass das Augenwischerei wäre. Ich stehe so ratlos vor dem Trümmerhaufen des deutschen Genrefilms wie jeder andere auch. Es krankt, krächzt und knarzt an allen Ecken und Enden, und ich wüsste nicht, wo man da mit dem Aufräumen anfangen sollte. Ich weiß es wirklich nicht.




Ein Kommentar

1) Peroy

9. Dezember 2013, 23:34

„Es kracht und zischt… zu sehen war nüscht…“

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