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Fantasy Filmfest 2013: Makkhi / Eega

Der arme Schlucker Jani ist in seine Nachbarin Bindu verliebt. Das passt dem so reichen wie zwielichtigen Sudeep nicht, ein „Badboy“ (ja, Zitat!), der so männlich ist, dass seine Stimme den Subwoofer zum Beben bringt. Er will Bindu für sich selbst und bringt Jani ohne Not um. Der ist aber nicht einfach futsch, sondern, wir sind schließlich in Indien, wird als niedere Lebensform wiedergeboren. Sein Geist wandert unter nie geklärten Umständen in ein Fliegen-Ei. Das Leben als Made in India zeigt der Film dann leider nicht, sondern springt zehn Tage nach vorne, als sich Jani grade im Rahmen einer überlangen und ziemlich schlechten CGI-Sequenz aus seinem Kokon schält und sich an sein neues Leben als Fliege gewöhnen muss. Sobald das passiert ist, hat er nur noch ein Ziel: Rache! Kein Witz.

Ich bin mit Bollywood (oder in diesem Fall eigentlich Tollywood) nie so wirklich warm geworden. Ein paar Filme habe ich gesehen und für gut befunden, aber die große Welle von vor ein paar Jahren ist völlig unbeachtet an mir vorbeigerollt. Makkhi ist, nach allem, was ich so weiß, sowohl ein typischer als auch ein sehr untypischer Bollywood-Schinken:

Typisch, weil er ein völlig kruder Genre-Mix ist. Es gibt Action, Liebesfilm, Horror, Komödie, Sci-Fi und weißderteufelnochwas, in ständig wechselnder Gewichtung, je nachdem, was die Handlung grade erfordert. Untypisch, weil er mit zwei Stunden für indische Verhältnisse eher ein Kurzfilm ist und weil die berüchtigten Sing- und Tanzszenen bis auf zwei, drei Andeutungen fehlen.

Und weil ich mit Bollywood nie warm geworden bin, verstehe ich vermutlich ein paar Sachen einfach nicht. Zum Beispiel, wie sich Jani zu Beginn um die widerstrebende Bindu bemüht: in meiner Welt ist ein Refrain wie „Auch wenn du nichts sagst, weiß ich, dass dein Schweigen meinen Namen trägt“ nichts als die indisch poetisierte Version von „Die wollte es doch auch, gucken Sie doch, wie die sich anzieht, Herr Richter!“ Janis Verhalten und die Selbstverständlichkeit, mit der der Film das als romantisch versteht, ist aus westlicher Sicht mindestens unangenehm, und mehr als einmal denkt man, dass es hierzulande nicht ohne Grund ein Anti-Stalking-Gesetz gibt. Auch der Stimmungswechsel im Minutentakt, je nach tonangebendem Genre, ist erst einmal irritierend. Der Film sucht die schnelle Emotion, hier ein Lacher, da was Rührseliges, hier, guck mal! Guck mal, was ich kann! Für sich genommen ist das alles toll anzusehen, nervt aber im Verbund relativ schnell, wenn man einfach nur der Geschichte folgen möchte. Dazu passt, dass jede, wirklich jede verdammte Einstellung inszeniert ist wie in einem Musikvideo. Es ist mit Sicherheit ein Stück weit meiner kulturellen Ignoranz geschuldet, aber Makkhi ist in seiner ersten Dreiviertelstunde mit seiner aufdringlichen Regie, seinem blinden Vertrauen auf bloße Schauwerte und seinem bedenklichen Geschlechterbild eigentlich nur für Dreizehnjährige, für Idioten und für potentielle Sexualstraftäter erträglich.

Und dann reißt der Film das Ruder so herum, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe. Ich kann nicht genau sagen, wann es mich gepackt hat, aber spätestens, als Janis Attacken über bloße Witzigkeiten hinausgehen, die Fliege einen Autounfall provoziert und pünktlich zur Halbzeit vor Sudeeps Augen ein unmissverständliches „I will kill you“ in die verrußte Frontscheibe schreibt, waren bei mir die Dämme gebrochen. Kein Wunder: in der zweiten Hälfte bietet Makkhi einen derartig überbordenden Einfallsreichtum und Bombast, wie man ihn höchstens noch aus dem knalligen Hongkong-Kino der frühen Neunziger kennt. Der Film holt auch noch das Letzte aus der bescheuerten „Die Rache der Fliege“-Story heraus, und immer wenn man denkt, die Spitze wäre jetzt langsam mal erreicht, legen die Macher noch und noch eine Schüppe an Ideen, Slapstick, Action und allgemeinem Irrsinn drauf, bis zu einem Finale, bei dem man auch als Fan von Heroic-Bloodshed-Balladen á la John Woo nur anerkennend nicken kann. The Good.

PS: Ja, die Fliege hat eine Tanzszene. Ich verließ das Kino als ein glücklicher Mensch.




Ein Kommentar

1) DMJ

6. September 2013, 15:41

Anmerken sollte man, dass die Reinkarnation als Fliege ein ziemlicher Abstieg ist – also vielleicht die Götter des Films vom, wie du schreibst, recht befremdlichen Charakter des Helden auch nicht allzu begeistert waren.

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