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Fantasy Filmfest 2013: The Philosophers

Eine Abschlussklasse trifft sich zur letzten Philosophiestunde ihrer Schullaufbahn und bekommt von ihrem Lehrer ein Gedankenspiel als Aufgabe: angenommen, ein Atomkrieg bricht aus, angenommen, sie befinden sich gerade an einer Bunkeranlage, die genug Platz, Vorräte und Sauerstoff für zehn Menschen bietet: welche zehn von ihnen dürften in den Bunker und welche zehn würden sie sterben lassen? Eine Entscheidungshilfe für Musterschülerin Petra und die neunzehn anderen Teenager sind zufällig verteilte Zettel, auf denen steht, welchen Job sie jeweils haben. Ein Chemiker hat da für das Überleben der Spezies einen andere Wert als ein Eisverkäufer oder ein Dichter. Dann springt der Film in die imaginative Welt dieses Gedankenspiels. Sie stehen nun wirklich vor dem Bunker, am Horizont reihen sich wirklich die Atompilze und die Entscheidung, wen sie mitnehmen, muss wirklich getroffen werden.

Beziehungsweise eben nicht wirklich. Die Schüler sitzen schließlich immer noch im Klassenraum, und die Jobs, die sie im Rahmen des Spiels haben, haben nichts mit den tatsächlichen Berufswünschen oder Fähigkeiten der Schüler zu tun – was ja am Ende der Schulzeit eigentlich möglich wäre, einem Zeitpunkt immerhin, zu dem die meisten zumindest eine grobe Ahnung davon haben, wer sie sind und wohin sie wollen – sondern Vorgaben auf Zettelchen. Und das ist ein Problem, denn damit bleibt jeder Konflikt unpersönlich, es geht eigentlich um nichts, jedenfalls um nichts, was man als weniger interessierter Schüler nicht auch einfach ignorieren könnte, um in Ruhe Schiffeversenken zu spielen. Alles ist nur ein Rollenspiel.

Beziehungsweise eben nicht. Es bleibt völlig unklar, wie das Experiment eigentlich konkret im Klassenraum aussieht. Bei einem Rollenspiel gäbe es festgelegte Regeln. Da kann ich nicht einfach sagen „Tjahaa, du kannst mich gar nicht erschießen, denn in der Szene vorher hab ich dir die Waffe geklaut, als du grade nicht geguckt hast!“ So spielen Fünfjährige, und das ist unter dem Niveau von Beinahe-Absolventen.

Beziehungsweise eben nicht. Die Beispiele für die im Laufe des Schuljahres durchgekauten Gedankenspiele sind banal und passen wohl in eine Philosophie-Einführungsstunde, aber nicht zu dem Hochbegabten-Abschlusskurs, als der uns die Klasse verkauft wird.

Beziehungsweise vielleicht doch, denn in der realen Welt spielt The Philosophers eindeutig nicht. In der Philosophers-Welt ist alles perfekt und schön: die Landschaft Indonesiens (wo der Film aus unerfindlichen Gründen gedreht wurde) genauso wie die Menschen, die vermutlich alle nebenbei als Models jobben. Anders wäre das interessant geworden: nehmen wir den Dicken, der uns alles wegfrisst, mit in den Bunker? Oder den Rollstuhlfahrer, um den sich ständig jemand kümmern muss? So aber ist, wie gesagt, alles nur Behauptungen auf Zettelchen. Es geht um nichts Wesentliches und aller Konflikt bleibt hypothetisch.

Das sind die grundsätzlichen konzeptionellen Probleme (zu denen noch handwerkliche kommen, wie die schlechten CGI-Effekte, aber das ist bei einem solchen Film verzeihlich), ein weiteres ist, dass der Film an seinem Anspruch scheitert. Im Prinzip lässt er zwei erkenntnistheoretische Denkrichtungen gegeneinander antreten, den knallharten Materialismus des Lehrers gegen den hippiesken Idealismus der Schüler. Beides hat seine Schwächen: der Idealismus hat keine Ahnung, wie man die menschliche Zivilisation wieder aufbaut, der Materialismus hat keine Antwort auf die Frage, warum man sie überhaupt bewahren sollte. Leider macht The Philosophers den Fehler, eine dieser Denkrichtungen der anderen vorzuziehen und endet, bevor die zaghaften Ansätze eines wirklichen Konflikts zwischen Petra und ihrem Lehrer tatsächlich losbrechen – eine Konfrontation, die dann endlich auch mal nicht nur im geschützten Raum eines Klassenzimmers stattfände.

Immerhin ist The Philosophers schön anzusehen, er ist durch die Sprünge zwischen Klassenzimmer und Gedankenexperimenten so kurzweilig, dass er nie langweilt, und er ist von seiner Idee her so interessant, dass man hinterher prima drüber diskutieren kann, was er alles falsch gemacht hat. Für einen wirklich guten Film reicht das aber nicht. The Durchschnitt.




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