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Fantasy Filmfest 2013: Frankenstein’s Army

Gegen Ende des zweiten Weltkriegs ist ein Grüppchen russischer Soldaten hinter den feindlichen Linien unterwegs, auf der Suche nach einem anderen Trupp, dessen Notsignal sie empfangen. Begleitet werden sie von einem Dokumentarfilmer. Was sie finden, sind allerdings keine Russen in Not, sondern ein Nazi-Nachfahre von Viktor Frankenstein, der in einem Kellerverlies eine Armee von Monstersoldaten zusammenschraubt.

Vor ungefähr zehn Jahren wollten ein paar niederländische Amateurfilmer einen Film namens Worst Case Scenario drehen, in dem untote Wehrmachtsoldaten an der Nordseeküste aus dem Meer steigen und über Urlauber herfallen. Es ist das erste Projekt, an das ich mich erinnern kann, das im großen Stil mit einer Online-Kampagne auf Unterstützung durch Fans baute; unter Anderem wurden auf diesem Weg Statisten für Zombie-Massenszenen gesucht, und auch zwei für Amateur-Verhältnisse verflucht gute Teaser gab es zu sehen. Ohne dass aus dem Projekt etwas geworden wäre, verschwand Worst Case Scenario irgendwann im Dunkel des Web 1.0. Das Design der Untoten aber haben die Niederländer nach dem Versacken ihres ersten Film-Versuchs nicht entsorgt, sondern nun für Frankenstein’s Army recycelt, ein Film im deutlich kleineren Maßstab im dreckigen Found-Footage-Look.

Nur passen die behauptete Authentizität von Found-Footage-Horror und ein Titel wie Frankenstein’s Army nicht so super zusammen, und dieser grundsätzliche Denkfehler zieht sich durch das gesamte gestalterische Konzept des Films: Es gibt viele Jump Cuts und Bildfehler, und ein ständiges, nerviges Projektor-Rattern auf der Tonspur, und das wirkt, auch mit den desaturierten Farben und dem Einsatz von natürlichem Licht, durchaus wie ein Familienabend vor der Leinwand mit Papis Urlaubsfilm aus Meck-Pomm. Nur: warum sprechen die Russen dann Englisch mit hartem russischen Akzent? Warum sprechen die Deutschen Deutsch mit englischem Akzent? Warum sind an den deutschen Maschinen Schilder mit einem unbeholfenen „Nicht antasten“ darauf angebracht? Welchen Sinn hat es eigentlich, die Expedition dieser kleinen Truppe mit zwei Kameras zu dokumentieren? Diese paar Typen sind in Feindesland unterwegs und zahlenmäßig grundsätzlich unterlegen, warum nehmen sie es hin, dass einer von ihnen keine Waffe, sondern eine Kamera und elend viel Gepäck trägt? Auf eine 16mm-Filmspule passen in der Regel 2 Minuten und 46 Sekunden, aber in der letzten halben Stunde läuft die Kamera beinahe durchgängig, ohne dass es groß Gelegenheit gäbe, den Film zu wechseln, wie kann das sein? Und natürlich die alte Found-Footage-Frage: Warum schmeißt der Filmemacher im Film seine Kamera nicht einfach weg und rennt um sein Leben, als es dann ernst wird?

Die Schere zwischen behaupteter Authentizität und krudem Kintopp klafft bis zum Anschlag auseinander, als die Soldaten in das Kellerlabyinth steigen und dort auf die titelgebende Armee treffen (Na ja, Armee… laut Abspann sind’s dann eher etwa zwei, drei Dutzend Monster). Hier spätestens entlarvt sich der Stil des Films als Mittel, um das fehlende Budget zu kaschieren. Das Gerenne in den unterirdischen Gängen sieht nämlich sehr nach dem aus, was ich so als Teenager gefilmt habe, und wir hatten nur eine Kamera mit angeklebter Taschenlampe und etwa 50 Mark Budget für Pizza.

Ich würde auf all dem nicht derart herumreiten, wenn sich Frankenstein’s Army nicht so verflucht ernst nehmen würde, aber so muss man ihn halt an den Regeln messen, die er selbst aufstellt. Mit Ironie oder etwa mit dem satirischen Anspruch von Iron Sky ließe sich all das wieder auffangen, aber der Film versucht, eine pseudo-russische Variante von Saving Private Ryan zu sein, nur halt mit Nazizombierobotermonstern und Doktor Frankenstein.

Frankenstein’s Army hat die bei Found-Footage-Horror übliche Geisterbahn-Dramaturgie, bei der die blassen Figuren passiv bleiben und eben wie auf Schienen von einer Situation in die nächste transportiert werden, und er ist dabei nicht erschreckend, schnell oder unappetitlich genug, um das Interesse wach zu halten. Auf der Haben-Seite hat er ein paar wenige effektive Momente, wenn der Kameramann durch die Kellergänge hetzt und hinter jeder Ecke irgendein neues Monsterviech lauert, und ein sehr einfallsreiches und streckenweise brillantes Creature-Design. Und das ist es, was die Macher offensichtlich wollten: coole Monster präsentieren. Deswegen ist es auch völlig egal, ob die dann aus dem Meer kommen oder aus Ostdeutschland, und deswegen ist die komplette Handlung austauschbar. Bedauerlicherweise haben sich die Frankensteins hinter der Kamera die falsche Bühne für ihre Kreationen ausgesucht; ich hätte die Monster-Armee liebend gerne als Fraktion in einem Tabletop-Spiel oder als Actionfiguren-Reihe gesehen. Oder auch einfach in einem besseren Film. The Bad.



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Ein Kommentar

1) DMJ

6. September 2013, 15:26

Nur wenige Dinge auf der Welt sind so tieftraurig, wie wenn gute Monster an Filme verschwendet werden, die so schlecht sind, dass sie sie nicht mehr wirklich aufwerten können.

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