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Fantasy Filmfest 2011 – Nachtrag, Teil 3 (+ Pannen-Parade)

Der harte Kern der Allesgucker: Simon, Wortvogel Dewi, yours truly (noch mit 3D-Brille, wir kamen Sekunden vorher aus dem gurkigen „Mortician“) und John (wegen fieser Überbelichtung nicht mehr im Bild: Evil Eddy Jonas (Moin!))

So ein Filmfestival, insbesondere eines von der Größe des Fantasy Filmfest ist eine logistisch verflixt anspruchsvolle Angelegenheit. Niemand erwartet oder verlangt da, dass immer alles reibungslos über die Bühne geht – weder was das Kino, noch was das Publikum angeht. Bevor wir in die letzten beiden FFF-Besprechungen (abermals von Stefan Dabrock) für dieses Jahr einsteigen, ist hier meine persönliche Top 3 der schönsten Pannen 2011:

3) The Veteran beginnt als deutsche Synchro, stoppt nach fünf Minuten und läuft nach einer längeren Pause in der Originalfassung weiter. Digitale Projektion ist eine praktische Sache, aber mit einer 35mm-Kopie wäre das nicht passiert.

2) Kurz vor dem Mitternachtsscreening von Dick Maas‘ Saint wird durchgegeben, dass der Film leider ausfallen muss – jemand hat die Filmdatei versehentlich vom Server gelöscht. Digitale Projektion ist eine praktische Sache, aber mit einer 35mm-Kopie wäre das nicht passiert.

1) Grave Encounters: Während der Film läuft, betritt ein Schnösel-Pärchen (er mit steifem Kragen, sie im schicken Kleidchen) den stockdunklen, rappelvollen Saal, guckt sich suchend um und schiebt sich dann durch die Reihe, in der auch ich sitze. Ich frage mich schon, was die vorhaben, denn hier gibt es genau einen freien Platz – den neben mir. Der Kerl bittet mich, meine auf dem Sessel liegende Jacke an die Seite zu räumen (klar, mach ich), steht dann aber blöde mit seiner Freundin herum und guckt auf den Typen, der auf der anderen Seite des freien Platzes sitzt. Die Leute in der Reihe hinter uns werden mittlerweile unruhig, es gibt erste „Hinsetzen!“-Rufe. Ich höre noch ein gerauntes „Doch, doch, Schatzi, das sind unsere Plätze, 11 und 12!“ Aber Sekundenbruchteile bevor der Kerl den Herrn auf besagtem Platz 11 anschnauzen kann, weil der den Sitz seiner Schnitte blockiert, dämmert es den beiden, dass sie sich im falschen Kinosaal befinden.

Das Kuriose daran: Der Film hatte nicht etwa gerade angefangen, sondern war bereits mitten im Finale. Als die Beiden hereinkamen, sahen sie auf der Leinwand schreiende, blutverschmierte Menschen in verwackelter Camcorder-Nachtsichtoptik – und das war sehr eindeutig ein Film und nicht etwa ein Trailer. In diesem Multiplex lief in dieser Woche jenseits des Festivals nicht nur kein einziger Horrorfilm, sondern überhaupt gar kein Film, bei dem man solche Bilder erwarten könnte. Weiß der Himmel, was die veranlasst hat, auch nur eine Sekunde davon auszugehen, die richtige Tür erwischt zu haben.

Genug der Gehässigkeiten, das hier sind die letzten zwei FFF-Filme:

Snowtown

Der Jugendliche Jamie (Lucas Pittaway) wächst in Adalaide in einem heruntergekommenen Viertel auf. In dem neuen Freund (Daniel Henshall) seiner Mutter (Louise Harris) findet Jamie Rückhalt, denn einen Vater hat er nicht. Er lässt sich auf eine freundschaftliche Beziehung zu John ein und wird immer tiefer in dessen psychotische Welt hineingezogen. Denn John ist ein Serienkiller. Zu spät merkt Jamie, auf was er sich eingelassen hat.

Regisseur Justin Kurzel suhlt sich bei seiner Umsetzung der Snowtown-Morde, einer realen Tötungsserie im Australien der 1990er Jahre, nicht in der expliziten Darstellung gewalttätiger Akte, aber er greift auf die kurze exemplarische Vorführung drastischer Einzelheiten einer Tat zurück. Der Charakter der Mordserie soll sichtbar werden. Das gelingt Kurzel ebenso gut, wie er das Milieu der Täter prägnant in Szene setzt. Zwischen Stammtischdiskussionen über die Gefahr durch Schwule, die nach Meinung des Wortführers John ohnehin alle Kinderschänder sind, und dem Gefühl, den unbeachteten Rand der Gesellschaft zu bilden, entwickelt sich ein Hass, der in eine fatale Tatkraft mündet. Aber Kurzel entgeht der Gefahr, die soziale Situation als rechtfertigende Erklärung gelten zu lassen, er beschränkt sich darauf, die Lebensumstände zu schildern. Das hat er nach etwas mehr als der Hälfte der Laufzeit aber auch detailliert getan. Der Rest ist reine Wiederholung, ohne dass dies die deprimierende Wirkung des Gezeigten steigern würde. Der Film läuft deswegen gegen Ende immer mehr ins Leere. The Durchschnitt.

F

Robert Anderson (David Schofield) ist ein Lehrer, der eine schlechte Leistung auch als solche bewerten möchte. Deswegen gibt er einem seiner Schüler für eine Arbeit die Note F, vergleichbar mit einer Sechs. Das führt jedoch zu Verwerfungen, in deren Verlauf Anderson schließlich an der Flasche landet und sein Privatleben den Bach runter geht. Einige Zeit später tauchen abends in Andersons Schule zwei mit Kapuzenpullis vermummte Jugendliche auf, die nichts Gutes im Schilde führen.

Nachdem tags zuvor meine Festivalfilme jeweils so lang waren, dass ich ohne nennenswerte Pause gleich in den anderen Saal hetzen musste, viel die Auswahl am letzten Tag der Kölner Ausgabe des Fantasy Filmfestes auf „F“, weil das Werk mit einer Länge von 79 Minuten eine längere Pause zum nächsten Film versprach und die Handlung zumindest für solides Genre-Kino gut war.

Aber es kam anders, denn was Johannes Roberts auf die Leinwand gebracht hat, konnte nur Kopfschütteln hervorrufen. Sein Film beginnt mit der Vorgeschichte eines Lehrers, der das macht, was ein Lehrer tun sollte. Er gibt einer laut Filmerzählung schlechten Arbeit eine entsprechend schlechte Note. Seine pädagogische Qualität lässt zwar zu wünschen übrig, wenn er die Note dem Schüler vor der ganzen Klasse zu verkündet, aber der Film säht nie einen Zweifel, dass die Arbeit wirklich schlecht war. In seltsam widerlicher Art und Weise übt die Schulleiterin aber Druck auf den Lehrer aus, die Note zurückzunehmen. Verbittert wird der Lehrer zum Alkoholiker und verliert seine Frau. Soweit der Prolog. Mehrere Monate später bestellt derselbe Lehrer seine Tochter, die in seiner Klasse ist, zum nachsitzen ein. Das wird aber zum Desaster, weil plötzlich mit Kapuzenpullis gekleidete Typen auftauchen, und Jagd auf die wenigen Menschen machen, die sich noch in der Schule befinden. Und genau hier beginnt das Problem des Films.

Da die Angreifer völlig gesichtslos bleiben – die Kapuzen sorgen dafür, dass nur eine schwarze Fläche zu sehen ist, wo sich sonst Mund, Nase und Augen befinden – könnte man meinen, dass die Figuren nicht real, sondern nur Ausdruck der Dämonen des Lehrers sind. Das verfängt aber nicht, da zum einen diverse Szenen mit den Angreifern im Film enthalten sind, die eindeutig nicht aus der Perspektive des Lehrers erzählt sind, und die Kapuzenjungs andererseits wahllos jeden töten, der sich noch in der Schule befindet. Es ist kein Hassmuster oder sonst eine nachvollziehbare Ordnung in den Ereignissen erkennbar. Dann bliebe nur noch die Möglichkeit übrig, dass es sich tatsächlich um irgendwelche Jugendlichen handelt, die ein wenig morden wollen. Das ist als Idee natürlich gut umsetzbar, braucht jedoch ein dramaturgisches Gerüst. Das hat Johannes Roberts aber nicht, denn die Beliebigkeit der Orte, an denen die Angreifer auftauchen, verhindert eine zusammenhängende Erzählung. Dazu passend wiederholt sich Roberts bei der Inszenierung der Bedrohungs- und Tötungsszenen auch nur. Die Kapuzenjungs tropefn wie aus dem Nichts kommend von oben herab – das soll wohl Angst erzeugen – oder sie klettern auf Regalen herum wie Raubkatzen. Als einmalige Idee nicht schlecht, aber der Film macht daraus eine Endlosschleife ohne Variation. Im Ergebnis ist es Roberts tatschlich gelungen, einfach nichts zu erzählen, indem er ein erzählerisches Vakuum geschaffen hat. Mit dem Prolog hat das entweder nichts zu tun oder aber es ist, wenn man der Dämonen-Theorie anhängt, so unsinnig umgesetzt worden, dass es einem die Sprache verschlägt.

Aber ein Versprechen hat der Film gehalten. Nach 79 Minuten war der Spuk vorbei und noch genügend Zeit für ein paar Pizzastücke und ein Eis. Vielen Dank, Johannes. The Bad.




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