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Fantasy Filmfest 2011 – Nachtrag, Teil 2

Weitere Kritiken von Stefan Dabrock:

Hideaways I am You The Holding War Games


Hideaways

Für James Furlong (Harry Treadaway) ist das Aufwachsen nicht leicht. Denn aus Erzählungen weiß er, dass Mitglieder der Furlong-Familie in der Vergangenheit immer wieder merkwürdige, übernatürlich scheinende Fähigkeiten hatten, die jedoch nur bei bestimmten Ereignissen zu Tage traten. James versucht nun auf abenteuerliche Weise herauszufinden, ob er ebenfalls über entsprechende Fähigkeiten verfügt. Als eines Tages die komplette Familie stirbt, kommt er in ein Heim. Möglicherweise war James für die Todesfälle verantwortlich. In der Erziehungsanstalt ist dem Jungen aber kein angenehmes Dasein vergönnt, so dass er weiter leidet.

Dorothy Mills-Regisseurin Agnes Merlet beweist ein wunderbares Gespür für die emotionale Schönheit ihres Märchenstoffes. Souverän führt sie das Dilemma James Furlongs ein, der sich schließlich aus der Gesellschaft zurückzieht, weil er glaubt, mit seiner Gabe nur Schaden anrichten zu können. Seine emotionale Einsiedelei wird durch die Kraft der reinen Liebe eines todkranken, aber lebenslustigen Mädchens aufgebrochen, die gegen die dunkle Seite seines psychischen Zustandes angeht. Dabei entgeht Merlet der Gefahr eines übertriebenen Kitschmelodrams, indem sie auf eine zurückhaltende Annäherung der beiden jungen Leute setzt. Bombast hat in diesem zarten Märchen keinen Platz. Stattdessen entwickelt sich die Natur des Waldes zu einem Ort, der mit seiner entwaffnenden Schönheit den passenden Rahmen für den unverkrampften Umgang der beiden letztlich unschuldigen Seelen miteinander liefert. The Good.

I am You / In Her Skin

Wenn ein Kind nicht zum vereinbarten Zeitpunkt nach Hause kommt, dann befürchten Eltern immer das Schlimmste, und manchmal haben sie recht. So geht es auch den Barbers (Guy Pearce und Miranda Otto), deren 15-jährige Tochter Rachel (Kate Bell) verschwunden ist. Da die örtliche Polizei den Fall herunterspielt, indem sie davon ausgeht, Rachel sei nur davongelaufen, starten die Eltern Suchaufrufe. Aber das Mädchen bleibt verschwunden.

Simone North legt bei I am You weniger Wert auf eine Thrillerhandlung – die Hintergründe des Verschwindens sind bereits nach etwa 30 Minuten klar -, sondern fokussiert auf den Dramaaspekt. Der Film behandelt den Umgang der beteiligten Figuren mit der Ausnahmesituation, wenn die Eltern zwischen Verzweiflung und Lethargie changieren, oder die für das Verschwinden verantwortliche Person versucht, mit den Konsequenzen ihrer Handlung umzugehen. Selbsthass und fatale Projektionen führen schließlich in die Katastrophe. Dabei konzentriert sich das Drama auf die Genese einer gestörten Persönlichkeit sowie die Hilflosigkeit der Umgebung, irgendwie mit dem Problem umgehen zu können. Insofern ist I am You auch eine gesellschaftliche Anklage, die es aber vermeidet, eine altkluge Lösung zu präsentieren. Und das ist gut so, denn dadurch kann sich die beschreibende Kraft einer unaufhörlichen Leidensgeschichte entfalten, die schließlich mit Gewalt aus der enge des eigenen Selbst auf die Umgebung übergreift. The Good.

The Holding

Die Einsamkeit des Landes kann bedrohlich sein. Auf einer Farm mitten im englischen Nirgendwo tötet Cassie Naylor ihren Ehemann, um die Töchter vor ihm zu beschützen. Aber damit zieht leider keine dauerhafte Ruhe ein, denn eines Tages taucht Aden auf, der sich durchs Leben schlägt. Mit ihm kommt die Vergangenheit plötzlich wieder hoch, von der Cassie glaubte, dass sie überwunden wäre.

Regisseurin Susan Jacobson nutzt die Isolation der einsamen Farm, um das Spannungsszenario effektiv zu steigern. Die weibliche Hauptfigur, die auch wirtschaftliche Probleme mit ihrem Landwirtschaftsbetrieb hat, versucht alles, um eine positive Zukunft zu gestalten. Das führt schließlich zu einer Gefahrensituation, an der sie sich als Beschützerin der eigenen Familie beweisen muss. Denn genau darin liegt auch das Hauptaugenmerk in Jacobsons effektivem Thriller. Die gestörte Beziehung zwischen der Mutter und den beiden Töchtern, die sich in der Vergangenheit entwickelt hat, ist der Überbau, mit dem das Thrillerszenario unterfüttert wird. Die äußere Gefahr ist die Prüfung für das Dreiergespann aus Mutter und zwei Töchtern, um den inneren Frieden finden zu können. Jacobson steigert die Situation bis zum konsequenten Finale, dessen Regenatmosphäre zwar nicht originell, aber stilsicheres Spannungskino ist.. The Good.

War Games / At the End of the Day

Paintball spielen kann Spaß machen, aber die zurückhaltende Lara (Stephanie Chapman-Baker) hat darauf eigentlich keine Lust. Dem Gruppendruck sei Dank, macht sie sich mit ein paar anderen Jungen Leuten auf den Weg in den Wald, wo das Spiel beginnen kann. Das entwickelt sich jedoch ganz anders als sie es erwartet hat, aber genau so, wie der Zuschauer vermuten konnte. Die Gruppe Paintballspieler ist nicht allein, so dass sie bald um ihr Leben fürchen müssen. Denn die ungebetenen Gäste halten nichts von harmlosen Geschossen, echte Munition ist ihnen lieber.

So hübsch wie noch vor dem Festival vermutet sieht der Film auf visueller Ebene leider nicht aus. Regisseur Cosimo Alemà war der Meinung, dass so ein zünftiger, auf metaphorischer Ebene mit echtem Krieg hantierender Film einen ockerfarbenen Look mit leichtem Grünanteil vertragen könnte. Auf diese Weise kleistert er jedoch jede Variationsmöglichkeit eine farbdramaturgischen Inszenierung zu. Das ist vor allem deswegen störend, weil der Film überhaupt keinen Unterschied zwischen dem spielerischen Anfang und dem tödlichen Ernst macht. Hinzu kommt, dass die Grenzsituation des Überlebenskampfes, in den die jungen Leute hineingeraten, nicht für eine tiefergehende Auslotung des menschlichen Umgangs mit einer solchen Situation genutzt wird. Wenn gerade diejenige, die am Anfang gar keine Lust auf die Spielzeugwaffen hatte, zur kämpferischsten Figur wird, dann wünscht man sich eine Reflexion über die Fähigkeit, Gewalt ausüben zu können, und über die Frage, was das aus der bislang unbeleckten Persönlichkeit macht. Nichts dergleichen passiert in einem Film, der sich darauf versteigt, die psychologische wie körperliche Grenzsituation, in die die jungen Leute geraten, mit harmloser Routine abrollen zu lassen. The Durchschnitt.




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