Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

Fantasy Filmfest 2011 – Nachtrag, Teil 1

Wie schon in den Jahren zuvor sind meine FFF-Kritiken auch auf Stefan Dabrocks Seite dvdheimat online gegangen. Stefan saß ebenfalls mit Festivalkarte im Kino (allerdings nicht in Berlin, sondern eine Woche später in Köln) und hat ein paar Filme besprochen, die ich verpasst habe:

Rabies Saint American Translation False Trail


Rabies / Kalevet

In einem Wald kommen unterschiedliche Leute, darunter selbstverständlich auch Teenager, aus unterschiedlichen Gründen zusammen. Natürlich geht in dem Naturgebiet ein Killer um, schließlich handelt es sich bei dem israelischen Genrebeitrag um einen Slasher. Mehr muss man über die Grundsituation eigentlich nicht wissen, denn damit sind die Voraussetzungen für die Dramaturgie gegeben.

Der israelische Genre-Beitrag leistet sich den Witz, dass Trotteligkeiten und menschlich asoziales Verhalten zum Desaster führen. Im Gegensatz zu Tucker & Dale vs. Evil besitzt Rabies aber keinen geschlossenen Handlungsbogen, der die Tötungen in einen Kontext rücken würde. Deswegen bleibt nur die beliebige Aneinanderreihung lose miteinander verbundener Gewaltakte übrig, welche in der Konsequenz an die Lust des Menschen appelieren, den Untergang dummer, widerlicher oder unschuldiger Individuen mit schadenfroher Genugtuung zu beobachten. Eine Reflexion über Sadismus oder sonstige menschliche Abgründe findet selbstverständlich nicht statt. Der Film ist letztlich ein schlechter Witz. The Bad.

Saint / Sint

Am fünften Dezember feiern die Niederländer Sinterklaas, denn am Vorabend des sechsten Dezembers kommt St. Nikolaus ins Haus, um Geschenke oder Ruten zu verteilen. Aber St. Nikolaus geht in Dick Maas‘ Version der Geschichte auf den Bischoff Niklas zurück, der im 15. Jahrhundert die Bevölkerung Amsterdams heimgesucht hat. Nachdem einige Bürger das Schiff des bösen Bischoffs angezündet haben, ist Niklas mit seiner Bande jämmerlich gestorben. Doch er kehrt als übernatürlicher Rächer immer dann zurück, wenn am fünften Dezember Vollmond herrscht. Inspektor Goerts weiß davon, weil seine Familie 1968 dran glauben musste, aber heute nimmt ihm die Geschichte niemand mehr ab. Deswegen muss er fast alleine gegen Niklas kämpfen, der Amsterdam wieder heimsuchen will.

Dick Maas hatte nicht vor das Rad neu zu erfinden, sondern einen temporeichen, mit einem hübsch absurden Setting aufwartenden Spannungs- und Actionfilm zu inszenieren. Und genau das ist ihm gelungen. Wenn der böse Nikolaus mit seinem Pferd im vollen Tempo über die Dächer Amsterdams galoppiert, dann gelingt Maas dank einer guten Choreographie und einiger grotesker Ideen die perfekte Mischung zwischen Komödie, Adrenalinkino und atmosphärischer Einbettung des städtischen Schauplatzes. Dazwischen platziert Maas eine Liebesgeschichte zwischen zwei Schülern sowie die einsame Jagd des knorrigen Polizisten Goerts auf den missverstandenen Heiligen. Die bruchlose Harmonie der Elemente macht den Reiz der nächtlichen Hatz aus. The Good.

American Translation

Christophe (Pierre Perrier) ist ein Herumtreiber, der sich gerne an Frauen heranmacht und dabei nicht nur Gutes im Schilde führt. In einer Hotelbar macht er sich an Aurore (Lizzie Brocheré) heran. Sein werben ist erfolgreich, so dass sich zwischen den beiden eine intensive Sexbeziehung entwickelt. Als es zu einem unglücklichen Todesfall kommt, dämmert es Aurore, dass die Beziehung für sie sehr schlecht enden könnte.

Im Abspann verrät der Film, dass sich die Macher von Studien über Serienkiller und deren Aussagen haben inspirieren lassen. Damit wollen die Regisseuere aber ganz offensichtlich jegliche Kritik abwehren, indem sie quasi eine Art wissenschaftliches Gütesiegel auf American Translation kleben. Das ist angesichts eines Filmes eine Frechheit, in dem sich die Verzweiflung des Serienkillers allein in starrenden Blicken manifestiert, oder durch ein kurzes Schnauben mit angriffslustigem Spruch gegenüber Männern deutlich werden soll, die mit seiner Freundin reden. Mit viel Wohlwollen kann man dem Film sogar unterstellen, dass er lose die in einschlägiger Literatur beschriebenen Phasen eines Serienkillers mit Befriedigung, Ruhepause, Druckaufbau und neuer Tat beherzigt. Aber das bleibt nur ein äußeres Schema der rudimentären Dramaturgie, das man vermutlich auch nur dann erkennt, wenn man schon einmal etwas darüber gelesen hat. Zur Seele der Hauptfigur stoßen die Regisseure nie vor, weil sie sich damit beschäftigen, das Pärchen bei nichtssagenden Gesprächen oder stumm zu filmen. Vor allem die Fahrten mit dem zu einer Art Wohnmobil umgebauten Wagen des Killers sind in epischer Breite zu einem immerhin hübschen Soundtrack zu sehen. American Translation erinnert in seiner expressiv zur Schau gestellten Ereignisslosigkeit einfach nur an einen Studentenfilm, der einen auf Kunst macht und glaubt, wenn eine Figur nur intensiv guckt, dann hat das bereits eine Bedeutung. The Bad.

False Trail / Jägarna 2

15 Jahre nach The Hunters – Jäger des Todes hat Regisseur Kjell Sundvall eine Fortsetzung des Thrillers gedreht, der aber eine eigenständige Geschichte mit nur kleinen, auch ohne Kenntnis verständlichen Rückgriffen auf den Vorgänger erzählt. Im ersten Film hatte der Stockholmer Polizist Erik Bäckström (Rolf Lassgård) nach der Rückkehr in seine nordschwedische Heimat gegen eine Wildererbande ermittelt, die Mitwisser auf brutale Weise zum Schweigen brachte. Am Ende der Ereignisse kehrte Bäckström nach Stockholm zurück. In False Trail wird er aber wieder in Nordschweden gebraucht, da er als brillanter Verhörspezialist Licht ins Dunkel eines Mordes an einem Mädchen bringen soll. Dabei stellt Bäckström aber fest, dass der Fall immer weitere Verästelungen aufweist. Gleichzeitig trifft er auf einen Gegenspieler, der nur vor wenig zurückschreckt.

Nordschweden ist eine einsame Gegend, in der die Menschen wie Pech und Schwefel zusammen halten, weil sie aufeinander angewiesen sind. Bäckström, der als Kind die Gegend verlassen hatte, ist da natürlich nicht gut gelitten, denn er hat den Schoß der Gemeinschaft verraten. Das bekommt er bei seinen Ermittlungen auch zu spüren, wobei Sundvall darauf verzichtet eine einseitige Mauer des Schweigens als Gegener für Bäckström aufzubauen. Der Chef der örtlichen Polizeidienststelle agiert mit einer Mischung aus Loyalität gegenüber der heimatlichen Gesellschaft und dem Versuch, Licht ins Dunkel zu bringen. So entgeht Sundvall einer allzu simplen Charakterisierung der Bewohner Nordschwedens zugunsten eines konfliktreichen Innenlebens.

Die Spannungen ziehen sich durch die Handlung hindurch, bei der recht schnell klar wird, wer der Bösewicht ist. Der Reiz des effektiven Thrillers liegt deswegen nicht in dem Rätsel der Täterschaft, sondern in den Bemühungen diesen gegen Widerstände dingfest zu machen. Dabei entwickelt sich ein rasantes Spiel um die Sicherung der Beweise, das der Killer auf perfide Weise immer wieder zu seinen Gunsten gestalten kann. Manipulation, Unterdrückung und die Fähigkeit, die Ereignisse der Vergangenheit anders erscheinen zu lassen, unterfüttern das Duell zwischen Komissar und Bösewicht. Daraus entwickelt Sundvall ein komplexes Geflecht ineinandergreifender Lügen, die eine ganz eigene dynamische Kraft der Gefahr entwickeln. Der Kampf um die Wahrheit wird für Bäckström eine Sisyphosarbeit mit persönlicher und gesellschaftlicher Dimension, die Nordschwedens dunkle Seite beleuchtet. The Good.




Kommentieren