Ein virtueller Vergnügungspark mit Cartoons, Comics, altem Spielzeug, Genrefilmen und Texten über pixelige Videospiele, und über Verrückte.

Gratis-Comic-Tag 2011: The Good, The Bad & The Durchschnitt (2)

Weiter geht’s. Fünf Hefte erledigt, 39 stehen mir noch bevor:

The Bad: Die Peanuts

Charles M. Schulz‘ Peanuts ist der beste, wichtigste, komplexeste Zeitungs-Strip der Comicgeschichte. Umso bedauerlicher, dass man beim Carlsen-Verlag deshalb offenbar der Meinung war, man hätte es mit einem solchen Selbstläufer zu tun, dass es schon ausreichen würde, insgesamt 37 wahllos zusammengestellte Strips und Sonntagsseiten mies gelayoutet auf gerade mal 21 Seiten zu verteilen, unterbrochen (!) von insgesamt acht (!!) Seiten Eigenwerbung. Das hat sich, soweit ich das bislang absehen kann, in diesem Jahr kein anderer Verlag getraut. Wie lieblos das Ganze zusammengeschustert wurde, lässt sich daran ablesen, dass drei der Strips sogar doppelt im Heft gelandet sind. Die Comics selbst sind freilich über jeden Zweifel erhaben, aber diese Aufbereitung ist vollkommen indiskutabel.

The Durchschnitt: Boule & Bill

Boule & Bill ist ein frankobelgischer Klassiker, der bis heute völlig an mir vorbeigegangen ist, was daran liegen mag, dass das „Familie mit Köter“-Konzept einfach nichts ist, womit ich was anfangen könnte. Der Band vereint stolze vierzig Einseiter, entstanden zwischen 1996 und 2001, jeweils einer der vier Jahreszeiten zugeordnet.

Die Zeichnungen sind teils routiniert, teils wunderschön anzusehen; vor allem bei Naturdarstellungen tobt sich Zeichner Jean Roba aus. Inhaltlich allerdings ist das Ganze maximal nett, also leider selten wirklich komisch und wirkt teils wie mit Gewalt auf eine Seite Länge gestreckt. Für die Regenpause in der Schulbücherei reicht das, für mehr aber auch nicht.

The Good: Weissblechs Gratis-Grusel-Geisterstunde

Seit bald zwanzig Jahren veröffentlicht der norddeutsche Selfmade-Man Levin Kurio selbstverfasste Comics im selbstgegründeten Verlag Weissblech-Comics. Dass das möglich war, ist in hohem Maße seinem ausgeprägten Erzähltalent und in nicht ganz so hohem Maße seinen über die Jahre wachsenden Qualitäten als Zeichner zuzuschreiben.

Drei der vier Geschichten dieses Bandes sind Nachdrucke aus den beiden großen Zugpferden des Verlags – Welten des Schreckens und Hammerharte Horrorschocker, alle vier sind von Kurio (ko-) geschrieben, zwei von ihm gezeichnet.

Xydoon spricht… ist okayer Sci-Fi-Horror, dessen Idee man auch auf der Hälfte der Seiten hätte erzählen können, Gestrüpp ist okayer Kontemporär-Grusel, der nicht so wirklich zwingend logisch und nachvollziehbar ist. Henker einsam ist eine exzellente kleine Charakterstudie mit Wahnsinn, appen Köpfen und Nekrophilie. Das Glanzlicht des Bandes aber ist die exklusive Gratis-Comic-Tag-Geschichte, eine großartig bescheuerte Satire auf die Content-Industrie mit ein paar geschäftstüchtigen Geistern, die „Spukinhalte“ an den Weissblech-Verlag verkaufen wollen. Allein schon für diese Schote lohnt das Heft.

The Good: Green Manor

Green Manor ist eine Sammlung von Kriminal-Kurzgeschichten, die im London des ausgehenden 19. Jahrhunderts angesiedelt sind, in und um den titelgebenden Club, in dem zynische Pfeffersäcke über das perfekte Verbrechen sinnieren, und dabei entweder selbst Opfer eines solchen werden oder eines begehen. Die Storys sind clever konstruiert, glaubwürdig und voller fieser Wendungen, schwarzem Humor und poetischer Gerechtigkeit. Das Vorbild ist unübersehbar – in einer Geschichte planen zwei blasierte Gentlemen einen Mord an Arthur Conan Doyle. Nur ist das hier halt Sherlock Holmes in umgekehrt.

Die mit akribischen Details vollgestopften, von liebevoll gestalteten Figuren bevölkerten Zeichnungen ordnen Green Manor zwischen Realismus und Funny ein und bringen die Sache damit atmosphärisch auf den Punkt. Eine ganz dicke Empfehlung, zu der es glücklicherweise auch noch zwei weitere Bände gibt.

The Durchschnitt: Orbital

Die Zukunft: die Menschheit ist Junior-Partnerin in einer interplanetaren Allianz, die den Neulingen misstrauisch gegenüber steht. Der junge Erdling Kaleb kann sich nun beweisen, als er als erster seiner Art in ein Multi-Spezies-Elite-Team aufgenommen und zusammen mit einer Partnerin auf eine halsbrecherische Mission geschickt wird. Die beiden sind von nun an ein Team wie Nitro und Glyzerin: zwei unschlagbare Diplomaten. Äh. Ja. Diplomaten. Orbital ist nämlich mehr Star Trek als Star Wars, und Action, Humor und Abenteuer entsprechend Mangelware. Und auch wenn der Anfang (trotz der manchmal arg gestelzten Dialoge) durchaus spannend ist, wird die Geschichte ziemlich schnell eher dröge, denn der Band verwendet so viel Zeit darauf, ein unnötig komplexes Universum zu etablieren, dass die beiden Hauptfiguren massiv zu kurz kommen. Wir erfahren nicht, wie der anfangs breit ausgewalzte Tod seiner Eltern Kaleb beeinflusst hat, wir wissen nichts von seinen Stärken oder Schwächen, und wir haben erst Recht keine Ahnung, was seine Partnerin für eine ist – kein Wunder, die hat in der ganzen Geschichte gerade mal exakte zehn Sätze Text. Mehr Platz ist halt nicht drin, wenn man lieber ein ganzes Heft mit toll gezeichnetem, atmosphärischem Sci-Fi-Zeug vollstopft.

Dieses Ungleichgewicht ist problematisch, denn was beim Leser (bzw. zumindest mir) ankommt ist, dass dem Autoren-Zeichner-Gespann Pellé und Runberg ihre Figuren scheißegal sind, und es ihnen auch scheißegal ist, wie die Mission der beiden Diplomaten-Hansel verläuft, solange sie nur genug Anlässe bietet, um das Orbital-Universum mit Technik-Gadgets, freakigen Aliens und nerdiger Hintergrundgeschichte anzureichern. Manchem mag das reichen, zumal die Erzählung flüssig ist und die Zeichnungen wirklich viel zu entdecken bieten, aber wenn im Cliffhanger-Finale des Gratis-Hefts ohnehin jeder Gedanke an Verhandlung verabschiedet und stattdessen auf Knarren gesetzt wird, will bei mir kein Adrenalin beim Umblättern fließen – zu emotionslos, zu unpersönlich sind die vorangegangenen über vierzig Seiten, als dass mich das Schicksal unserer „Helden“ jetzt scheren würde.




Ein Kommentar

1) DMJ

21. Mai 2011, 13:01

„Orbital“ und „Green Manor“ habe ich auch eingesackt, aber noch nicht gelesen, das Weissblech-Teil ist aber wirklich wieder eine Freude…und mein Exemplar wurde ja sogar signiert und direkt aus den Händen des Erzeugers entgegen genommen.

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