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Das Geheimnis der Zauberpilze

Das Folgende ist eine Besprechung von „Das Geheimnis der Zauberpilze“, einem Homemade-Streifen, der bei mir um die Ecke gedreht wurde. Auf Herz und Nieren verrissen habe ich den Film letztes Jahr für Badmovies.de, wo der Text auch seit Jahr und Tag online ist. Dass ich diese Geschichte jetzt wieder aufwärme, hat einen Grund:

Diese Flyer lagen letzte Woche in Bochum aus. „VoFiFe“, ist, wie ich aus erster Hand weiß, eine Abkürzung für „Vorfinanzierungsfete“, und wer etwas genauer hinsieht, liest auch, wofür die gut sein soll: „Zur Finanzierung unseres nächsten Films „Der Fluch der Zauberpilze“.“

Falls die Straßenlage es zulässt, werde ich da am Samstag aufschlagen und möchte alle in der Nähe wohnenden Leser bitten, es mir gleichzutun. Und das sage ich als derjenige, der den ersten Teil der Zauberpilz-Saga achtkantig zerfetzt hat. Die beiden unter dem Namen P.s.y.c.h..o.-Productions firmierenden Jungs ziehen ihre Projekte durch, geben sich Mühe und sind, so ich meinen damaligen Email-Verkehr im Vorfeld dieser Besprechung richtig interpretiere, sympathische Zeitgenossen, und das sollte man honorieren. Mal davon abgesehen, dass der nächste Film nur besser werden kann. Außerdem haben sich die Beiden, nachdem der Badmovies-Beitrag online ging, tatsächlich bei mir für die Kritik bedankt. Das hätte ich nicht unbedingt erwartet, denn nett war ich nicht zu ihnen:

Das Geheimnis der Zauberpilze

Deutschland 2009, 90 Min., FSK ungeprüft

Cast

Crippler Criss (alias Christian)
Mr Heppot/Master W (alias Werner)

Crew

Regie: Crippler Criss & Mr Heppot
Drehbuch: Mr Heppot
Kamera: Holger Jahnke
Schnitt: Crippler Criss
Musik: Carsten Grote & Holger Jahnke
Produktion: Crippler Criss & Mr Heppot/P.s.y.c.h.o. Productions

Für Außenstehende sei zu Beginn kurz auf die Vorgeschichte dieser Besprechung eingegangen: Vor einiger Zeit meldete sich jemand im Badmovies-Forum an, um seinen Spielfilm „Das Geheimnis der Zauberpilze“ zu bespammen. Nachdem dieser Jemand gemäß der BM-Forenkultur schon aufgrund seiner bloßen Existenz niedergemacht wurde, sahen sich die User das verlinkte Material – Trailer und Drehbuch – an und machten ihn anschließend deswegen nieder, allen voran ich. Nach den ersten paar Seiten Skript hatte ich entnervt zu lesen aufgegeben, weil da nichts passierte, außer dass sich zwei Typen anschrieen, beleidigten und grundlos verprügelten (also eigentlich wie bei Badmovies auch, aber halt ohne die kreative Boshaftigkeit, die die Zankereien dort so lesenswert macht). Dazu gab’s ein paar sinnlose Filmreferenzen und reichlich Selbstbeweihräucherung, der übliche Kiddieschrott also. Erfahrungsgemäß hätten die meisten anderen Amateurfilmhansel angesichts des gesammelten Hohns und Spotts der Userschaft beleidigt das Weite gesucht oder uns mit einem ausgewachsenen Flamewar den Nachmittag versüßt – nicht aber die P.s.y.c.h.o.-Productions-Produzenten, die vorschlugen, sich aus erster Hand ein Bild von der Sache zu machen, und so nett waren, mir eine Rezensions-DVD zuzuschicken, was sie schon mal im Vorfeld als coole Erwachsene qualifiziert. Dass das Review doch noch eine Weile gebraucht hat, lag daran, dass ich Dirk als sekundierenden Mitgucker an Bord wissen wollte, damit, falls der Film denn der befürchtete Rohrkrepierer werden würde, hinterher niemand behaupten könnte, ich persönlich wäre halt einfach nicht auf den eigentlich ja 1A-seienden Humor des Werkes klargekommen.

Vorneweg: Die Macher haben es vorgezogen, sich in die schmissigen Künstlernamen „Mr Heppot“ (bzw. “Master W“) und „Crippler Criss“ zu kleiden, was ihnen zwar die Möglichkeit gibt, weiterhin seriöse Berufe auszuüben, mir aber zu dumm ist. Nennen wir die beiden der Einfachheit halber für diesen Text also mal „Werner“ und „Christian“ (die vollständigen Klarnamen der Jungs finden sich auf ihrer Homepage, weswegen ich mal nicht davon ausgehe, dass das ein großes Geheimnis sein soll).

Inhalt

Beavis & Butt-Head

Der Film fängt an mit der Live-Version von Beavis und Butt-Head, die auf einer Couch sitzen und sich über sich selbst (also P.s.y.c.h.o. Productions) unterhalten. „Das sind Meister ihres Fachs! DIE Meister!“ grunzt der eine.

„Das sind doch diese Spastis, die mit Wasserfarbe und Tomatenmark im Wald rumkaspern und das ganze als Film verkaufen wollen, oder?“ quietscht es aus des anderen Kehle zurück.

Nun, die folgenden 90 Minuten werden vermutlich zeigen, welcher dieser beiden Thesen man sich eher zugeneigt fühlen sollte.

Würdet Ihr an einem Tisch sitzen wollen, mit jemandem, der ein Messer in der Hand hat und sich selbst“Der Krüppler“ nennt?

Jetzt werden ein paar Verse von Robert Frost eingeblendet, die tatsächlich zum Film passen. Bildungsbürgertum galore (es ist bedauerlich, dass man so was erwähnen muss, aber tatsächlich sind DVD und Cover angenehm frei von grammatikalischen oder orthographischen Unzulänglichkeiten, was in der Homemade-Szene ja leider alles andere als selbstverständlich ist). Dann sehen wir, wie der längere von den beiden (Christian) frühstückt. Die Szene ist unglaublich langsam und hat durch die schräge Vibraphon-Musik was von Helge Schneider. Schön. Dann klopft es ans Fenster. Der kürzere der beiden (Werner) taucht auf und erzählt seinem Kumpel was von einem Zwerg, den er in der vergangenen Nach auf dem Nachhauseweg getroffen und von dem er „revitalisierende“ Zauberpilze erhalten hat. Es folgt der Vorspann. Jetzt sind zehn Minuten rum und so allmählich könnte mal was passieren.

Jokefrei: Tolle Landschaften.

Die beiden namenlosen Helden laufen saufend durch den Wald und singen Lieder übers Saufen (vornehmlich „Der Säufer“ von den Idiots). Ich gehe nicht davon aus, dass man die Urheber um Erlaubnis gefragt hat, ist aber auch nicht schlimm, weil man kaum ein Wort versteht, da alle Dialoge weiterhin gegrunzt und gekreischt werden. Offenbar will man im Wald campen, warum auch immer (hier sei schon mal vorweggenommen: ein dichter Wald bietet sich als preisgünstige Kulisse natürlich sowieso an, aber da sind wirklich ein paar richtig schicke Bilder bei). Der Umgangston der beiden ist ein ziemlich rauer („Alter, geh mir nicht au’m Sack!“), eben noch immer sehr Beavis-und-Butt-Head-mäßig, auch wenn die beiden jetzt offenbar andere Figuren darstellen sollen als in der Szene zu Beginn auf der Couch.

„Wie jetzt? Wir haben EIGENES Geld in den Film gesteckt?“

Jetzt wird’s schwer nachvollziehbar, weil Christian völlig unmotiviert Werners Potenz in Frage stellt: „Selbst wenn man dir so’n scheiß Freiritt bei so ’ner bekackten Edelnutte schenken würde, wärtste am beschissenen nächsten Morgen immer noch scheiß Jungfrau!“

Spätestens hier fällt der exzessive Gebrauch von vermeintlich harter Sprache auf, der das Fehlen echter Komik überspielen soll. Weil: Lustig ist das nicht. Es kommt aus heiterem Himmel zu einer Mischung aus Wetttrinken und schlecht gespielter Prügelei, in deren Verlauf Werner erschlagen wird. Mittlerweile sind zwanzig Minuten durch und noch immer passt die Inhaltsangabe auf den Kassenzettel einer Spirituosenhandlung.

Der Mann mit den nach vorne umklappbaren Knien.

In den nächsten fünf Minuten verscharrt Christian seinen toten Kumpel im Wald, während der hysterisch kichernde Zwerg (ebenfalls gespielt von Werner) auftaucht, von dem anfangs die Rede war. Dieser erzählt, dass die Zauberpilze den Kurzen wieder lebendig machen könnten und gibt als Hinweis auf ihren Standort ein dummes Gedicht zum Besten. Das Bild blendet ab. Was passiert nun? Quetscht Christian den Zwerg hinsichtlich der Zauberpilze aus? Wird weiter gedichtet? Ach, Quatsch: Christian ist wieder zuhause. Es ist der nächste Morgen und unser Held macht sich in seiner Werkstatt daran, begleitet von dramatischer Musik einen Holzpflock zu zersägen. Warum weiß ich nicht. Ein Rasta-Typ (abermals, wie auch alle weiteren Nebenfiguren, gespielt von Werner) erscheint und pisst in Christians Garten („Die verdammte Hippie-Sau pisst in meinen Garten!“). Erneut wird geprügelt, weil das beim letzten Mal ja auch keinerlei unglückliche Folgen hatte. Christian deutet das Gedicht des Zwerges nun als Aufforderung, den Pseudo-Hippie zu foltern und tut das auch. Nach dem Absägen eines Fußes rückt dieser tatsächlich mit einer Wegbeschreibung raus.

Die Hippie-Sau

Jetzt wird der Film angehalten und die beiden Deppen vom Anfang kommentieren auf ihrer Couch das bislang Gesehene mit viel Geschrei. Na bravo.

Wisst ihr was? Die erste halbe Stunde ist durch, und ich habe keine Lust mehr. Den Rest des Films deswegen im Schnelldurchlauf: Wieder im Grünen begegnet Christian nacheinander einem durchgedrehten Soldaten, einem kannibalischen Einsiedler und einem blutgierigen Pantomimen (??), die allerlei wirres Zeug erzählen (also, außer dem Pantomimen-Typen). Irgendwann wird es dann undurchsichtig: unser Held stellt fest, dass er sich die ganzen schrägen Vögel nur eingebildet hat, wird währenddessen von einem Riesenpilz vergewaltigt (!), bekommt die Zauberpilze vom Zwerg (der sie die ganze Zeit dabei hatte) und wiederbelebt anschließend Werner, der aber ein Zombie oder so was wird. Ende.

„Analyse“

„Charlie ist hier überall!“

Das bisschen Geschichte, das ich hier besten Gewissens sinnwahrend wiedergegeben habe, bietet insgesamt Material für dreißig, höchstens vierzig Minuten, wird aber auf unerträgliche neunzig gestreckt durch endlose Durch-den-Wald-latsch-Szenen, durch ziellose Dialoge und durch die paar Szenen mit Beavis & Butt-Head. Die Episoden bauen nicht zwingend aufeinander auf – es ist problemlos möglich, zwischendurch einfach mal zwanzig Minuten zu überspringen, ohne dass man den Eindruck hat, man hätte was Wichtiges verpasst. Das Geheimnis der Zauberpilze ist aber nicht nur ein Episodenfilm, sondern zudem ein Dialogfilm. Es wird gelabert und gelabert und gelabert und gelabert, und das ist im wörtlichen Sinne einschläfernd langweilig. Es spricht nicht für den Film, dass wir bei der ersten Sichtung beide in unseren Sesseln eingepennt sind (und nicht, dass wer denkt, wir Hallodris hätten die Nacht zum Tage umgekrempelt, es war gerade mal früher Nachmittag und zumindest Dirk war eigentlich sehr ausgeschlafen).

„Außerdem hat mein Baum drei Schlafzimmer und einen Billard-Salon!“

Die ständigen Dialoge haben auch den Nachteil, dass der Film nicht sonderlich visuell ist – wie auch, wenn einem alles erzählt wird? Dass Werner und Christian es durchaus draufhätten, zeigen die über den Film verstreuten Sight Gags, die echte und leider einsame Lacher sind. Die Dialoge sind ein Problem – der Vortrag derselben macht es allerdings eher noch schlimmer: Christian grunzt seine Texte den ganzen Film über monoton, als hätte er den Frontmann einer Death-Metal-Band verschluckt, Werner kreischt hysterisch, ebenfalls ohne Unterlass. Das macht es nicht gerade leicht, dem Gesagten zu folgen – wenn es nicht an der Verständlichkeit scheitert (und das, obwohl sehr ordentlich nachsynchronisiert wurde), dann nervt es relativ bald (lustigerweise klingt Christians im Bonusmaterial zu hörende unverstellte Stimme der von Jörg Buttgereit zum Verwechseln ähnlich, aber das nur am Rande).

Warum nennt man solche Leute eigentlich Hinterwäldler, wenn sie doch erwiesenermaßen IM Wald leben?

Tja, und so wird halt viel durch den Wald gelaufen, viel erzählt, ab und zu ein wenig gesplattert und am Ende, wie schon erwähnt, vergewaltigt, dass es eine Art hat. Das klingt jetzt ein bisschen grenzwertig, aber die Vergewaltigung durch den riesigen Pilz ist das Glanzlicht des Films. Die Sequenz ist, auch durch die hübschen Effekte, die Bilder, den gelungenen Schnitt und das gute Sounddesign ziemlich hypnotisch und psychedelisch und kann absolut überzeugen. Leider sind das nur vielleicht fünf von neunzig Minuten.

„Und wenn Ihr mir kein rohes Fleisch gebt, präsentiere ich Euch als nächstes die Unsichtbare Wand!“

Bleiben die „Beavis & Butt-Head“-Nummern. Himmel, ist das nervig! Es reißt einen aus dem Film (immerhin auch aus dem Schlaf), ist herzlich unlustig, und zumindest mich interessiert es längst nicht mehr, wenn postmodernistische Mauerspechte selbstzweckhaft an der Vierten Wand herumpicken. Wie man einzelne Episoden aus dem Film entfernen könnte, so ließen sich auch sämtliche der Couchkartoffelnummern rausschneiden, ohne dass man auch nur den Hauch eines Irgendwasses vermissen würde.

Tentakel-Rape

Dem geneigten Leser mag aufgefallen sein, dass sich bislang sämtliche Verachtung über dem stümperhaften Drehbuch ergießt. Das liegt schlicht daran, dass der Rest, wie oben schon mal angedeutet, ziemlich respektabel geraten ist. Gefilmt wurde auf MiniDV, aber mit einem selbstgebauten 35mm-Adapter. Jeder halbwegs professionelle Kameramann würde bei den zahlreichen Unschärfen und Flecken im Bild Zeter und Mordio schreien, aber für die Preisklasse, in der die Zauberpilze spielen, sieht das sehr ordentlich aus und rettet den Film selbst in den ödesten Bla-und-Blubb-und-Latsch-Szenen davor, vollkommen unerträglich zu werden. Nicht nur der Look, auch Schnitt und Kamera gehen völlig in Ordnung. Dass es zwischen den beiden Hauptdarstellern einen Größenunterschied von knapp anderthalb Köpfen gibt, macht die Kadrierung im Scope-Format natürlich etwas kitzelig (eine Möglichkeit wäre es gewesen, in jeder Einstellung, in der die beiden gleichzeitig zu sehen sind, die Kamera konsequent schief zu halten, damit nicht ständig Köpfe abgeschnitten werden, aber das sah schon bei „Battlefield Earth“ dämlich aus). Die Musik klingt zwar stellenweise wie aus einem zehn Jahre alten PC-Spiel, hat aber den Charme des liebevoll Selbstgemachten. Letzteres gilt auch für die Kostüme und die (spärliche) Ausstattung. Sogar schauspielerisch machen die beiden ihre Sache gut. Okay, okay, Christian hat nicht viel mehr zu tun, als augenrollend zu chargieren, aber Werner zeigt sich in seinem halben Dutzend Rollen bemerkenswert wandlungsfähig (ein „Okay, okay“ auch hier. Aber immerhin ist alles dabei von „ein bisschen Overacting“ bis „Overkill-Overacting“).

Ein Sinnbild: Der Tentakel steht für P.s.y.c.h.o.-Productions und der Hintern symbolisiert mein freies Wochenende.

Der Weisheit letzter Schluss: Wahrscheinlich hat jeder, der irgendwann mal eine Videokamera, ein paar Kumpels und die Pubertät gleichzeitig am Start hatte, gefilmt, wie er und besagte Kumpels rumkaspern, aber die meisten von uns hatten genug Selbstreflexion auf Halde um zu ahnen, dass das außerhalb dieses exklusiven Zirkels maximal eingeschränkt komisch ist, und wären deswegen nicht auf die Idee gekommen, das Ergebnis, wie hier geschehen, aufwendig (gepresste DVD-9 in 1000er-Auflage!) in die Öffentlichkeit zu schubsen. Es ist den P.s.y.c.h.o.s hoch anzurechnen, dass sie auf dem splattergetränkten Homemade-Markt was Neues probieren, und wären die paar durchaus vorhandenen guten Momente des Films auf dreißig Minuten komprimiert, würden Dirk und ich die Zauberpilze einigermaßen ruhigen Gewissens durchwinken, nicht zuletzt wegen der versierten Umsetzung. So aber ist der Film schlicht unlustig und ungenießbar. Die Jungs haben Ambitionen und in handwerklicher Hinsicht Talent, nur halt absolut nichts zu erzählen, außer was für tolle Typen sie doch sind.




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